Mutter fragt sich: Ab wann sollte meine Tochter zur Frauenärztin?

Wann ist die richtige Zeit für einen ersten Frauenarztbesuch? Und was sollten Töchter vorher wissen? Dr. Ute Buth klärt auf.

„Meine Tochter ist jetzt 14. Manche ihrer Freundinnen waren schon bei der Frauenärztin, andere (wie sie) noch nicht. Ich bin mir unsicher: Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Und wie bereite ich meine Tochter darauf vor?“

Für viele Mädchen sind Frauenärztinnen zunächst die große Unbekannte. Früher gab es nur den Kinderarzt oder die Kinderärztin. Den meisten Kids ist klar, im Erwachsenenalter gibt es stattdessen Hausärzte. Wozu braucht es zusätzlich eine Frauenärztin?

Was ist eine Frauenärztin?

Eine Frauenärztin ist für die inneren und äußeren Geschlechtsorgane der Frau im Intimbereich sowie für die Brüste zuständig, bei der Vorsorge und der Behandlung von gut- und bösartigen Erkrankungen. Sie begleitet ergänzend zu Hebammen Frauen in der Schwangerschaft und rund um die Geburt. Sie ist Ansprechpartnerin bei Störungen der Monatsblutung, Entzündungen, einem Ungleichgewicht weiblicher Hormone, in Fragen der Empfängnisregelung und bei vielen sexuellen Problemen.

Der Besuch bei der Frauenärztin wird ab dem 20. Lebensjahr ein- bis zweimal pro Jahr zur Vorsorge empfohlen. Wenn ein Mädchen keinerlei Beschwerden hat, genügt es, den ersten Besuch zwischen dem 18. und 20. Lebensjahr zu planen. Ausnahmen, die Praxis früher aufzusuchen, sind Beschwerden im Genitalbereich, starke Schmerzen und/oder Störungen der Monatsblutung, das Ausbleiben der ersten Blutung bei Mädchen älter als etwa 16 Jahre oder wenn kein Tampon eingeführt werden kann. Außerdem ist die Frauenärztin ansprechbar, wenn ein Mädchen schon sexuell aktiv ist oder unsicher, ob alles okay ist, zum Beispiel bei unklaren Tastbefunden der Brust.

Ein Kennenlerntermin kann helfen

Vielen Mädchen hilft ein orientierender erster Termin ohne Untersuchung, um die Ärztin und die Praxis kennenzulernen. Respektieren Sie unbedingt, ob sie zu einer Ärztin oder einem Arzt gehen möchte. Drängen Sie Ihre Tochter nicht zu Ihrem Gynäkologen. Überrumpeln Sie sie nicht, indem Sie mit Terminen Tatsachen schaffen. Klären Sie mit ihr, wann sie dazu bereit ist. Sie sollte wissen: Vor der Untersuchung entkleidet sie sich in einer Umkleidekabine im Untersuchungsraum untenherum – nie ganz! Ein langes Shirt ist ein guter Sichtschutz auf dem Weg zum Untersuchungsstuhl.

Steht eine Untersuchung an, bereiten Sie sie darauf vor, dass die Frauenärztin dafür einen speziellen Untersuchungsstuhl benötigt, auf dem man zurückgelehnt sitzt, während die Beine seitlich auf Beinschalen oder Bögen gelagert sind. Nur so kann die Ärztin durch die Scheide bis zum Eingang der Gebärmutter schauen. Dazu schiebt sie vorsichtig mit Untersuchungsinstrumenten die Scheidenwände beiseite. Zusätzlich kann sie die inneren Geschlechtsorgane durch die Scheide abtasten und sie mit einem schmalen Ultraschallgerät betrachten. Falls es wehtun sollte, bitte Bescheid sagen. Die Frauenärztin ist immer ansprechbar.

Dr. med. Ute Buth ist Frauenärztin, Sexual- und Weißes Kreuz-Fachberaterin. Sie leitet die Beratungsstelle „herzenskunst“ in Bochum, ist verheiratet, Mutter zweier Töchter und Autorin des Teenie-Aufklärungsbuches „Mädelskram“. 

Erziehungswissenschaftlerin rät Eltern: Finger weg von den Hausaufgaben Ihres Kindes!

Streit bei den Hausaufgaben muss nicht sein, meint Daniela Albert. Denn die sind gar nicht Aufgabe der Eltern.

„Mein Sohn (9) und ich rasseln beim Hausaufgabenmachen häufig aneinander. Besonders schlimm war es beim Homeschooling. Immer, wenn ich ihm helfen wollte, stellte er auf stur, woraufhin ich immer ungeduldiger wurde. Es ist wie ein Teufelskreis. Wie kommen wir da raus?“

Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass Sie nicht allein sind. Besonders das, was Sie vom Homeschooling beschreiben, haben im letzten Jahr viele Eltern erlebt. Wir sind durch die Schulschließungen in einer Doppelrolle gelandet, die eigentlich nicht unsere ist.

Eltern lebten eine Doppelrolle

Bildung ist ein Monopol des Staates und zumindest die formale Schulbildung ist in einen anderen Rahmen ausgelagert – aus gutem Grund! Denn dort wird diese Aufgabe von Menschen übernommen, die sich durch Studium und Ausbildung dafür qualifiziert haben. Sie sind mit unseren Kindern in professionellen Settings zusammen, bei denen eben diese Schulbildung im Mittelpunkt steht. Wir werden von unseren Kindern anders wahrgenommen und haben eine andere Rolle in ihrem Leben. Deshalb fällt es vielen Kindern auch schwer, Hilfe von ihren Eltern anzunehmen und sich auf deren Art von Wissensvermittlung und Umgang mit Schulstoff einzulassen. Konflikte sind hier vorprogrammiert.

Unsere Rolle im Leben und auch in der Bildungsbiografie unserer Kinder ist es, der Ort zum Regenerieren und zum Auftanken zu sein, vielleicht auch Gesprächspartner, mit denen Gelerntes alltagstauglich verfestigt werden kann oder mit denen kritische Fragen diskutiert werden. Natürlich können wir ihnen auch mal zum Abfragen, Wiederholen oder Erklären zur Verfügung stehen, wenn sie dies wünschen. Zu unserer Kernaufgabe gehört das aber nicht.

Es ist nicht Ihre Aufgabe!

Vielleicht hilft es Ihnen, sich einmal vor Augen zu führen, dass es eigentlich gar nicht Ihre Aufgabe ist, Ihrem Sohn bei den Hausaufgaben zu helfen. Natürlich können Sie ihn, wenn er Sie darum bittet, unterstützen. Wenn er diese Unterstützung aber nicht möchte, kann er auch allein arbeiten. Das, was zu Hause erledigt wurde (oder eben nicht), ist nämlich eigentlich eine Sache zwischen ihm und seinen Lehrkräften. Wir Eltern haben nur oft das Gefühl, wir müssten das begleiten und es sei unser Job, dass die Kinder ihre Aufgaben möglichst gut erledigen. Ist es aber gar nicht.

Ich würde Ihnen daher empfehlen, Ihren Sohn nur so viel bei den Hausaufgaben zu begleiten, wie er es sich wünscht, und ihm darüber hinaus die Verantwortung für das, was er tut, zu übertragen. Seien Sie lieber seine Powerbank zum Aufladen und sein geborgener Ort, wenn der Schulstoff ihn angestrengt oder geärgert hat. Den Rest überlassen Sie den Lehrerinnen und Lehrern in der Schule. Ihr Fokus sollte nicht so sehr auf der anstrengenden Hausaufgabenzeit liegen, sondern auf dem, was danach kommt. Wie wäre es, wenn Sie, während er Hausaufgaben macht, schon einmal Kakao kochen und Obst schneiden, um sich danach gemütlich mit ihm zusammenzusetzen?

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin sowie Eltern– und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen und bloggt unter eltern-familie.de. 

Erektionsstörung: So überstanden Cathrin und Daniel gemeinsam die Krankheit

Als Daniels Prostata entfernt wird, stürzen seine Frau Cathrin und er in ein Tief. Dr. Ute Buth erzählt, wie die beiden ihre Sexualität dadurch neu entdeckten.

Cathrin und Daniel empfanden ihre Sexualität anfangs als aufregend und zugleich auch als herausfordernd. Nicht alles lief, wie sie es sich vorgestellt hatten. Manch eine Prägung aus ihren sexuellen Lerngeschichten* fuhr ihnen in die Parade, musste eingeordnet und verstanden werden. Trotz mancher Irrfahrten blieben sie auf Kurs: Gemeinsam entwickelten sie ihre Sexualität in Höhen und Tiefen, manchmal auch mit Unterstützung in einer Fachberatung.

Mit der Zeit genossen und schätzten sie ihr intimes Miteinander immer mehr. Daniel beschreibt es so: „Diese besondere intime Nähe, diese Vertrautheit, die teilten nur wir zwei. Wir haben erst lernen müssen, über Sex zu reden, das war in unseren Familien so gar nicht selbstverständlich.“ Doch von der Sprachfähigkeit profitierte die Zweisamkeit, denn sie begannen, „uns immer mehr unsere gegenseitigen Vorlieben anzuvertrauen. Und das hat Früchte getragen.“ So konnten sie ihre Sexualität miteinander genießen und feiern.

Wolke 7 trifft auf Alltag

Doch selbst eine gelingende, aufregende partnerschaftliche Sexualität ist kein permanentes Schweben auf Wolke 7. Sie findet live statt und will auf dem Boden alltäglicher Rahmenbedingungen gelebt werden. Sexualität lebt davon, dass beide Partner sich kennen, sich vertrauen und dass sie Wege finden, mit den alltäglichen ungeschminkten Herausforderungen des Lebens weise umzugehen.

„In den unterschiedlichen Lebensphasen“, so Cathrin, „haben wir gelernt, in den zahlreichen Wetterlagen des Alltags unsere sexuelle Nische lebendig zu halten. Das war besonders in der Kleinkindphase unserer beiden Kinder nicht immer einfach.“ Beide schmunzeln. Cathrin ergänzt: „Manchmal haben wir uns einen Babysitter geholt und sind für einen langen Abend ins Hotel gefahren. Anfangs fuhr dann einer wieder nach Hause, um den Babysitter abzulösen. Der andere konnte im Hotel in Ruhe ausschlafen. Unsere Flexibilität und Kreativität hat uns später in der Krise sehr geholfen.“

Daniel kämpft mit Erektionsstörungen

Auslöser dieser Krise war eine Krebserkrankung. Mit Anfang 40 ging Daniel zum Urologen, „weil ich Probleme beim Wasserlassen hatte. Der Urologe entdeckte eine auffällige Prostatavergrößerung. Meine Prostata musste radikal entfernt werden.“ Die Operation verlief gut, der Tumor hatte nicht gestreut. Doch auf die Erleichterung folgte auch eine gewisse Ernüchterung, denn „sexuell lief danach gar nichts mehr“. Daniel hatte nach dem Eingriff mit Erektionsproblemen zu kämpfen. „Damit konnte ich als Mann nicht umgehen. Anfangs zog ich mich deshalb zurück.“

Auch Cathrin war mit der Situation überfordert. Sie wünschte sich ihre gemeinsame Sexualität zurück. Und zugleich war ihr klar, dass das so nicht möglich war. Vor allem aber vermisste sie die intime Nähe, die sie geteilt und genossen hatten. Sie wäre glücklich gewesen, mit Daniel zu kuscheln, sich an ihn zu schmiegen und ihm so ihre Liebe zu zeigen. Doch sie wollte ihn nicht bedrängen, stand hilflos vor der Situation und schwieg.

Daniel machte sich Sorgen. Was, wenn sich die Problematik nicht zurückbilden würde? Er sehnte sich nach Intimität mit Cathrin. Dass sie das Gespräch nicht suchte, verstand er als Enttäuschung und Rückzug. War er nun für sie nicht mehr „gut genug“?

Was hilft bei sexuellen Problemen?

Es ist normal, dass ein solcher Einschnitt beide Partner gewaltig erdet und zutiefst verunsichert. Sie verlieren einen Schatz, den sie sicher zu haben wähnten. An bewährte Strategien können sie nicht mehr anknüpfen, und zur Tagesordnung können sie auch nicht übergehen. In einer solchen Situation ist vor allem Mitgefühl gefragt. Mit sich selbst und mit seinem Gegenüber. Und möglichst auch der baldige Austausch darüber, wie es beiden geht. Denn nonverbal stellen sich, wie auch im Fall von Cathrin und Daniel, rasch Missverständnisse und Fehldeutungen ein.

Beim Urologen erfuhr Daniel, dass das Problem mit der Gliedsteife bis zu neun Monate andauern könne. In manchen Fällen würde es auch danach nicht besser. Daniels Verunsicherung war dadurch nicht weg. Die Tabletten, die ihm der Arzt verordnete, verbannte Daniel zunächst in eine Schublade.

Eines Abends ergab sich ein erstes zaghaftes Gespräch mit Cathrin über die aktuelle Situation, zuerst ganz allgemein, wie es beiden geht, aber auch, was all das mit ihnen als Paar gemacht hatte. Beide merkten, dass sie auf dem Weg Federn gelassen hatten, und wie sehr Missverständnisse ihr Verhalten beeinflussten. Doch sie erinnerten sich auch daran, dass sie sich früher in Herausforderungen ihrer Ehe und sexuellen Fragen in der Beratung Hilfe gesucht hatten. So entschieden sie, sich auch in diesem Fall Rat zu holen.

Eine Paarberatung kann helfen

In der Beratung sprachen sie erstmals ohne Bewertung vom anderen darüber, wie es ihnen tatsächlich geht und welche Fragen und Sorgen, aber auch welche Bedürfnisse und Ideen da sind. Überrascht stellten sie fest, dass sie beide weiter ein starkes Nähe-Bedürfnis hatten, dieses aber durch ihren jeweiligen Rückzug nicht geäußert hatten.

Nach und nach stellten sie sich dem akuten Schmerz des Verlustes und auch der Möglichkeit, dass dieser endgültig sein könnte. Sie trauerten über das, was sie eingebüßt hatten, und übten sich dann darin, ihren Blick auf das zu richten, was ihnen an Ressourcen und Möglichkeiten geblieben war.

Intimität jenseits von Geschlechtsverkehr

Überraschend war für Daniel, dass Cathrin zunächst vor allem seine intime Nähe spüren wollte. Ohne Anspruch auf Sex. „Ich war perplex, traurig und freudig überrascht zugleich. Genau das hatte ich mir ja auch gewünscht und mich doch nicht getraut, danach zu fragen. Weil ich meinte, meinen Mann nicht stehen/ nicht liefern zu können.“ Gemeinsam entschieden sie, die Tabletten für später aufzuheben und sich erst einmal langsam wieder anzunähern. Sie belebten anfangs zaghaft, dann immer mutiger längst verschollene Möglichkeiten aus den Anfängen ihrer Partnerschaft: Kuscheln, Streicheln, Küssen, Petting, eine erotische Massage und auch die Stimulation mit der Hand. Vor allem aber genossen sie ihre Zeit zu zweit. Cathrin beschreibt es so: „Endlich war die Eiszeit zwischen uns vorbei. Unsere ganze Beziehung, vor allem aber die Vertrautheit und Nähe tauten auf.“

Viele Paare unterschätzen die Möglichkeiten, Intimität jenseits von Geschlechtsverkehr zu erleben, oder haben sie schlichtweg nie eingeübt. Dabei lässt sich hier viel Land einnehmen und kreativ gestalten. Oftmals kommt erst in der Beratung zur Sprache, wie sehr sich ein Partner Intimität über den Penis-Scheide-Verkehr hinaus wünscht. Fehlt beiden die Sprachebene, ist es sehr herausfordernd, diesen Wunsch einzubringen. Das kann dazu führen, dass man Körperkontakt meidet. Nach dem Motto: Besser nicht kuscheln, sonst versteht das der andere direkt als Einladung zum Sex. Hier helfen klare Absprachen. Wann gehen wir auf Sex zu, wann genießen wir uns bewusst anders und loten unsere Möglichkeiten aus?

Die Erektion: Ein willkommener Gast

Mit den Tipps aus der Beratung entdeckten Cathrin und Daniel ihre gegenseitigen „Körperlandkarten“ und erotischen Zonen neu. Es waren wenige orientierende Sitzungen, bis sie ihren Weg gemeinsam gehen und stärken konnten. Sie tasteten sich langsam vorwärts, lernten Sexualität mit den neuen Randbedingungen zu gestalten und waren überrascht, wie sie nach und nach ganz neu aufregende sexuelle Begegnungen miteinander erleben konnten. Wenn es dabei zu einer Erektion kam, hießen sie diese als Gast willkommen, doch sie suchten bewusst auch Wege, ihre Intimität und Sexualität auch ohne diesen Gast zu genießen und zu feiern.

Was bleibt

Als sich die Erektion Monate später wieder mehr oder weniger regelmäßig einstellte, feierten Daniel und Cathrin auch das. Doch bis dahin hatte sich ihre Sexualität schon deutlich verändert. Ihre neue sexuelle Wirklichkeit wollten sie nicht mehr missen. Ihr Fazit: „Diese Höhen und Tiefen haben uns noch mehr zusammengeschweißt. Wir hätten anfangs nie gedacht, dass gerade diese krasse Erfahrung unsere Sexualität am Ende bereichern würde.“

Daniel und Cathrin haben sich vorgenommen, in Zukunft frühzeitiger Hilfe zu holen und immer nach Auswegen zu suchen. Sie wollen den Einschränkungen nicht den Sieg überlassen und bereit sein, notfalls verlorenes Terrain zurückzuerobern.

Dr. med. Ute Buth ist Fachärztin für Frauenheilkunde, Weißes Kreuz Fachberaterin und zertifizierte Sexualberaterin und leitet die Beratungsstelle „herzenskunst“ (herzenskunst-beratung.de) in Bochum.

*Zum Begriff „Sexuelle Lerngeschichte“: Unabhängig davon, ob Sex aktiv gelebt wird, hat jeder Mensch seine sexuelle Lerngeschichte. Im Laufe unseres Lebens erhalten wir zahlreiche Informationen zum Thema Sexualität: Erlebnisse, Sachinformationen, Emotionen, Positives und auch Negatives. All diese Informationen verknüpft unser Gehirn wie in einem aufwendigen Orientteppich mit ganz individuellen Mustern. Unliebsame Bereiche kann man nicht wie beim Computer einfach markieren und löschen. Wir müssen umlernen, oder um im Bild des Teppichs zu bleiben: neue Fäden einweben und schauen, ob wir alte Fäden auslaufen lassen können.

Kinderwunsch: Nach drei Fehlgeburten kämpft sich Julia zurück ins Leben

Julia Strobels Traum vom Familienglück zerschlägt sich immer wieder. Heute sagt sie: „Wir leben unser bestes Leben.“

Wir haben ein Kissen zu Hause, ein Spontankauf vor vielen Jahren. Mein Mann und ich waren frisch verheiratet, der Wunsch nach einem Kind wurde zunehmend stärker. Als ich das Kissen im Schaufenster erblickte, hat dessen Aufdruck der diffusen Sehnsucht in mir einen Namen gegeben: „Nestwärme.“ Es hat meine Vorstellung vom Kinderkriegen auf den Punkt gebracht als Ausdruck von Glück, Geborgenheit und Nähe, von Heimat und Zuhause.

Voller Zuversicht sind wir schon kurze Zeit später unser „Projekt Nestwärme“ angegangen. Doch statt des ersehnten Familienglücks durchlebten wir Monat für Monat bittere Enttäuschung. Anfangs waren wir noch voller Zuversicht. Wir beteten und glaubten fest daran, dass sich schon bald ein kleines Wunder auf den Weg zu uns machen würde. Zunehmend wurden wir allerdings von Gefühlen wie Wut, Angst und Ratlosigkeit geflutet. Da, wo vorher Vorfreude und Hoffnung waren, schlich sich immer mehr ein Gefühl von innerer Distanz und Verzweiflung ein.

Drei Fehlgeburten innerhalb von drei Jahren

Drei Jahre und drei Fehlgeburten später hatte ich spürbar die Kehrseite meiner Vorstellung von „Nestwärme“ kennengelernt: Ich hatte Verlust und Schmerz, Loslassen und Leere dort erfahren, wo eigentlich Geborgenheit und Liebe gelebt werden sollten. Das Ringen um einen kleinen Menschen in unserer Mitte hat meinen Mann und mich schleichend einsam werden lassen in unserer Zweisamkeit. Wir mussten uns immer wieder bewusst entscheiden, Nähe zu suchen, um uns als Paar nicht zu verlieren. Schöne Momente zu erschaffen und miteinander zu teilen, gemeinsam zu lachen, neue Pläne zu entwickeln, nach anderen Perspektiven Ausschau zu halten – das hat uns geholfen, am anderen dranzubleiben und zu erkennen: Ein Gefühl von Nestwärme entsteht nicht nur dann, wenn aus einem Paar eine Familie wird. Aber diese Erkenntnis war hart.

Als wir am absoluten Tiefpunkt waren, hat Gott uns unser erstes Wunder geschenkt. Da war die Entscheidung, weiter zu vertrauen, fast schon schmerzhafter als das einsame Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Als die Ärztin uns verkündete: „Sie sind dieses Mal auf einem guten Weg, es könnte besser nicht sein“, hat es mich innerlich fast zerrissen, die Verbundenheit zu diesem kleinen Wesen zuzulassen. Wenn man so lange wie wir an einem Ort war, an dem Nähe und Hoffnung Synonyme für Verletzlichkeit und Verlust waren, dann muss man Bindungsbereitschaft und Vertrauen neu lernen.

Die Tochter ist da

Unsere Tochter wurde geboren und wir waren im Glücksrausch: gelebte Nestwärme in aller Intensität. Plötzlich waren die neuen Synonyme für Nähe: Dankbarkeit, Verliebtheit und Körperkontakt. Jeden Tag wuchs unsere Bindung zueinander ein kleines Stück mehr. Bis zur totalen Erschöpfung und darüber hinaus.

Dies waren zwei weitere Mosaiksteine von Nähe für mich: Auf der einen Seite wollte ich meinem Kind ein Gefühl von Geborgenheit schenken, eine sichere Bindung als Motor erschaffen, der die gesunde Entwicklung am Laufen hält. Auf der anderen Seite war die Erschöpfung manchmal so groß, dass ich am Rande der Verzweiflung war. Und erkennen durfte: Familie ist mehr als ein reiner „Nähe-Spender“. Familie zu sein bedeutet auch, eine Balance zu finden zwischen Gemeinschaft und eigenen Freiräumen. Die Grenzen auszuloten zwischen dem Wir und dem Ich. Nähe zu leben, heißt, Veränderungen anzunehmen und zu gestalten. Zu empfangen und loszulassen. Manchmal in kleinen Schritten und manchmal in überwältigend großen.

Eine neue Familie für die Pflegetochter

Unsere Familie ist in den folgenden Jahren auf unterschiedliche Weise gewachsen. Nach unserer Tochter wurden wir mit zwei weiteren leiblichen Kindern gesegnet. Wir haben aber auch weitere Verluste durchlebt. Einer davon war besonders hart: Wir mussten unser erstes Pflegekind aus unserer Familie verabschieden: unser Babymädchen, mit dem wir innige Momente der Nähe leben durften. Die Bindung und das Vertrauen, das zwischen uns und unserer Pflegetochter gewachsen war, wurden jäh durchtrennt. Wir hatten sie aus einer Notsituation heraus bei uns aufgenommen. Das Jugendamt hat nach einigen Monaten entschieden, dass der Altersabstand zwischen unserem Jüngsten und der Kleinen mit 15 Monaten auf Dauer zu gering war. Sie wurde innerhalb von zwei Wochen in eine andere Pflegefamilie vermittelt. Sie gehen zu lassen, hat uns zutiefst erschüttert. Danach waren wir monatelang haltlos, haben mitten im Leben erneut mit diesem ohnmächtigen Gefühl der Leere zu kämpfen gehabt.

Unsere Erkenntnis war: Wer Nähe zulässt, macht sich verwundbar. Es hat eine Weile gedauert, bis wir sagen konnten: Das war es wert. Unsere Verzweiflung über den Abschied sollte uns nicht daran hindern, dankbar zu sein für das, was wir erleben durften. Es war ein Prozess, den wir mit vielen Tränen und Gebeten durchgestanden haben. Zweieinhalb Jahre später ist unser zweites Pflegekind, wieder ein Babymädchen, bei uns eingezogen. Sehr eng begleitet, mit vielen Worten der Zuversicht vonseiten unseres neuen Jugendamts und von Familie und Freunden.

Voller Vertrauen und Verletzlichkeit

Unsere Erfahrungen mit den zwei Seiten der Nähe haben bei jedem von uns Spuren hinterlassen. Und doch können wir voller Überzeugung sagen: Wir leben gerade unser bestes Leben. Es hat uns vier wunderbare Kinder auf unterschiedlichen Wegen geschenkt. Den Balanceakt von Nähe und Distanz, Festhalten und Loslassen, Vertrauen und Verletzlichkeit, von erfüllten, übertroffenen und zerbrochenen Erwartungen inklusive.

Der Stoff der Kissenhülle ist nach fünfzehn Jahren rissig geworden, die Farben sind verblasst. Auch mein inneres Bild von „Nestwärme“ hat über die Jahre Blessuren davongetragen und sich so manchem Wandel unterzogen. Vor Kurzem habe ich in einem kleinen Laden ein Kissen mit der Aufschrift „Herzensangelegenheit“ erblickt. Unnötig zu erwähnen, dass ich es mitgenommen habe.

Julia Strobel ist Diplom-Pädagogin und lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in der Nähe von Mainz.

„Hilfe, meine Tochter hat ihren ersten Freund!“ – So sprechen Sie über Sex und Verhütung

Die erste Beziehung ist für Jugendliche ein wichtiger Schritt. Therapeutin Melanie Schüer erzählt, welche Fettnäpfchen Eltern jetzt vermeiden sollten.

„Meine Tochter hat ihren ersten Freund. Wie verhalte ich mich als Mutter jetzt am besten?“

Es gibt so manche ersten Male im Leben von heranwachsenden Kindern – und der erste Freund gehört definitiv dazu. Wenn Ihre Tochter Ihnen selbst von der Beziehung erzählt, können Sie schon einmal stolz sein: Offenbar hat sie Vertrauen zu ihnen und sieht sie als wichtiges Gegenüber. Doch auch wenn Ihr Kind die Neuigkeit zunächst geheim hält, sollten Sie das nicht persönlich nehmen. Es hängt sehr vom Charakter ab, wie leicht oder schwer es einem Jugendlichen fällt, seinen Eltern eine solche Nachricht zu übermitteln. Und es gibt weitere Faktoren wie zum Beispiel:

  • Wie offen sprechen die Gleichaltrigen über dieses Thema?
  • Was haben die Jugendlichen darüber schon gehört, zum Beispiel von Freunden und Freundinnen?
  • Ist Ihr Kind das älteste Kind oder hat es schon Geschwister, die diese Erfahrung bereits gemacht haben?

Wenn sie davon erfahren, liegt es an Ihnen, möglichst souverän und vertrauenswürdig zu reagieren. Denn je besser Sie mit der Neuigkeit umgehen, desto höher ist die Chance, dass Sie Ihre Tochter in einer positiven Gestaltung der neuen Lebenssituation begleiten können und Ihr Kind Ihre Unterstützung annimmt.

Gelassen und respektvoll reden

Unterlassen Sie unbedingt herablassende Kommentare, aber auch mit lustig gemeinten Scherzen sollten Sie vorsichtig sein. Denken Sie daran: Ihre Tochter erlebt das alles zum ersten Mal und wird eine gehörige Portion Unsicherheit und vermutlich auch Verlegenheit Ihnen gegenüber verspüren. Ihr Job als Elternteil ist es daher, Gelassenheit und Normalität auszustrahlen. Reden Sie möglichst entspannt und weder besonders aufgeregt noch übertrieben locker oder humorvoll über das Thema. Versuchen Sie, eine ruhige, respektvolle und unaufgeregte Gesprächsstimmung herzustellen. Zeigen Sie Interesse, ohne zu neugierig zu wirken, beispielsweise so: „Super, ich freue mich für dich. Das ist ja eine ziemliche Veränderung, was? Wie heißt er denn und wo habt ihr euch kennengelernt?“

Kennenlernen ohne Einmischen

Natürlich wollen Sie sich als Elternteil ein Bild von dem Auserwählten Ihres Kindes machen und das ist auch gut so! Wichtig ist aber auch hier eine gewisse Zurückhaltung. Geben Sie Ihrer Tochter etwas Zeit. Wenn sie dann selbst kein Kennenlernen vorschlägt, können Sie behutsam nachfragen: „Ich würde Tobias ja gerne mal kennenlernen. Muss nicht lang sein. Vielleicht morgen Nachmittag kurz zum Tee, wenn er dich abholt?“

Beim Treffen selbst stellen Sie ein paar interessierte, aber nicht zu persönliche Fragen zum Beispiel über Hobbys, eventuelle Geschwister, Lieblingsfächer oder berufliche Pläne. Und erzählen Sie ruhig etwas von sich, aber nur kurz und knapp („Ach ja, Mathe hab ich früher auch nicht gemocht. Ich hatte damals die Idee, Polizistin zu werden, aber daraus wurde nichts.“).

Auch wenn Sie keinen guten Eindruck von Ihrem Gegenüber haben, bleiben Sie höflich und respektvoll. Sonst bringen Sie Ihr Kind nur gegen sich auf. Denn die rosarote Brille ist gerade in der Verliebtheitsphase ziemlich machtvoll! Sollte etwas an dem Freund Ihres Kindes oder dem Umgang miteinander Ihnen wirklich Sorgen machen, dann sprechen Sie in einem ruhigen Moment vorsichtig mit Ihrer Tochter. Formulieren Sie Ihre Sorge als Ich-Botschaft und eher als Frage: „Ich merke, dass du gern mit Jonas zusammen bist und das freut mich. Ich fand es auch super, dass ich ihn kennenlernen konnte. Nur irgendwie gibt es da etwas, das mich beschäftigt. Vielleicht übertreibe ich oder verstehe es falsch, aber mein Eindruck ist, dass …“

Verhütung ansprechen

Natürlich ist auch Intimität ein wichtiger Aspekt, wenn Ihre Tochter (oder auch Ihr Sohn) zum ersten Mal in einer Beziehung ist. Auch hier gilt es, mit Bedacht und möglichst gelassen und wertschätzend vorzugehen. Auf keinen Fall sollten Sie hier allzu scherzhaft oder von oben herab auftreten, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ebenso sollten Sie es vermeiden, diesen Aspekt wie ein Tabu-Thema zu behandeln. Bemühen Sie sich auch hier um einen möglichst normalen, unaufgeregten Tonfall. Suchen Sie das Gespräch unter vier Augen zu einem Zeitpunkt, zu dem Ihr Kind entspannt und zugänglich scheint (Das ist in der Pubertät durch das Hormonchaos häufiger mal nicht der Fall … dann lieber etwas abwarten!). Warten Sie aber nicht zu lange, denn im Rausch der Verliebtheit können auch die scheinbar vernünftigsten Jugendlichen manchmal viel schneller im Bett landen, als man das für möglich gehalten hätte.

Eine mögliche, beispielhafte Einstiegsformulierung wäre: „Hast du gerade etwas Zeit? Ich wollte gerne noch mit dir über etwas sprechen. Du bist ja jetzt ein paar Wochen mit Marcel zusammen. Ich weiß nicht genau, ob ihr beide schon über Verhütung gesprochen habt. Wir hatten das Thema ja noch nicht so ausführlich. Ich wollte dich mal fragen, wie gut du dich da informiert fühlst oder ob du Fragen hast?“ Warten Sie dann erst einmal ab, was Ihr Kind schon weiß, und beschränken Sie sich auf die wichtigsten Informationen, zum Beispiel:

  • Nur Kondome schützen vor Geschlechtskrankheiten;
  • Es gibt weitere Möglichkeiten wie die Pille;
  • Manchmal wirkt die Pille nicht (Durchfall, Erbrechen, verschiedene Medikamente wie Antibiotika).

Bedeutung der Intimität hervorheben

Sie können Ihrer Tochter auch einen gemeinsamen Besuch bei der Gynäkologin vorschlagen. Weiten Sie das Thema nicht zu sehr aus, aber versuchen Sie, zumindest kurz auf die Bedeutung von Intimität einzugehen: „Du allein entscheidest, wie weit du mit Marius gehen willst. Ich traue dir zu, gute Entscheidungen zu treffen. Wichtig ist, dass du immer nur das tust, womit du dich wirklich wohlfühlst. Überlege einfach gut, was wann dran ist und lass dir Zeit. Manchmal lässt man sich zu Dingen hinreißen, die man später bereut. Gerade am Anfang einer Beziehung, da hat man quasi eine rosarote Brille auf. Oft sieht man erst nach einem halben bis einem Jahr klarer und kennt auch die Schwächen des anderen und sieht, ob es wirklich passt.“

Und, was manchmal vergessen wird: „Kein Verhütungsmittel ist 100 Prozent sicher. Etwa 5 von 100 Frauen, die mit Kondom verhüten, werden innerhalb eines Jahres schwanger. Deshalb ist es immer sinnvoll, sich genau zu überlegen: Würde dieser Junge im Ernstfall, wenn was schiefgeht, zu dir stehen? Willst du das gewisse Risiko eingehen, kannst du ihm vertrauen? Ich denke, dass man keine Nacktfotos verschicken sollte, ist dir sicher klar. Da sind echt schon schlimme Dinge passiert …“

Überlegen Sie sich vorher, welche Botschaften Sie vermitteln wollen und finden Sie dann Ihre eigenen Worte. Die obigen sind nur als Inspiration gedacht.

Melanie Schüer ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Autorin. Sie bietet (Online-)Beratung für Eltern von Babys und Kleinkindern mit Schrei- und Schlafproblemen an (neuewege.me).

Raus aus dem Teufelskreis: So beenden Sie die Machtkämpfe mit Ihrem Kind

Schwierige Phasen kennen wohl alle Mütter und Väter. Aber manche Kinder fordern ihre Eltern dauerhaft heraus. Pädagogin Sonja Brocksieper kennt diese Situation.

In deinem Buch „Mit Liebe bewaffnet“ geht es um herausfordernde Kinder – so heißt es im Untertitel. Was verstehst du darunter?
Das ist eine Umschreibung für das klassische „schwierige Kind“. Wir reden ja im Alltag schnell davon, dass unsere Kinder schwierig sind. Dann bekommen Kinder einen Stempel, dass sie nicht okay oder falsch sind. Mit dem Begriff„herausfordernde Kinder“ versuche ich, diesen Umstand etwas anders zu beschreiben. Es geht um Kinder, die nicht der Norm entsprechen, die ein bisschen anders ticken als andere und dabei aber nicht schlechter oder besser, sondern einfach anders sind. Sie bringen ihre Eltern an ihre Grenzen und fordern sie heraus, weil sie nicht in ein Schema passen.

Welche Art von Herausforderungen würdest du darunter fassen?
Das kann ganz vielschichtig sein. Es fängt an bei kleineren Dingen, zum Beispiel, dass die Persönlichkeit des Kindes anders ist als meine. Das ist ja herausfordernd, wenn mein Kind zum Beispiel sehr extravertiert ist, und ich selbst eher introvertiert bin. Die Kommunikation fällt schwerer, ich kann mich nicht so gut in mein Kind hineinversetzen und verstehe nicht so gut, wie es die Welt wahrnimmt. Es geht aber auch um Kinder, die eine Diagnose, Beeinträchtigung oder Behinderung haben oder die vielleicht eine Vorgeschichte mitbringen, weil sie Pflegekinder sind.

„Wenn der Liebestank der Kinder leer ist, rebellieren sie“

Man hört immer wieder Stimmen, die Kinder heute seien so schwierig, weil die Eltern sie zu sehr verwöhnen und keine Grenzen setzen. Siehst du das auch so?
Das trifft vielleicht auf manche Eltern zu. Wenn Eltern ihre Kinder zu sehr in Watte packen, ihnen alle Herausforderungen aus dem Weg räumen und Kinder völlig grenzenlos aufwachsen, kann das zu unreifen Verhaltensweisen der Kinder führen. Diese Eltern meinen es gut, wenn sie den Kindern alles ermöglichen. Aber das Bedürfnis des Kindes ist ja auch, selbstwirksam zu sein und herausgefordert zu werden. Einen verwöhnenden Erziehungsstil halte ich durchaus für problematisch, wenn sich das Kind in der Folge als das Zentrum der Welt empfindet. Aber ich würde es nicht darauf reduzieren, dass Kinder nur aus diesem Grund auffällige Reaktionen zeigen.

Ich glaube vielmehr, dass ein großer Teil der Schwierigkeiten in der Eltern-Kind-Beziehung darin liegt, dass die Liebe der Eltern nicht ankommt. Die meisten Eltern würden sagen: Ich liebe mein Kind. Aber aus unterschiedlichen Gründen fühlt ein Kind diese Liebe nicht. Und wenn der Liebestank der Kinder leer ist, rebellieren sie. In der Folge gibt es immer mehr Machtkämpfe und Reglementierungen der Eltern. Und dann sind nicht fehlende, sondern zu viele Grenzen das Problem. Es gibt also beide Seiten.

Viele Eltern kennen ja Zeiten, in denen sie ihr Kind als sehr anstrengend und herausfordernd erleben. Aber wie lang kann so eine Phase sein? Und wie merke ich, dass es ein eher grundsätzliches Problem ist?
Es ist völlig normal, dass es mal hakt oder man hier und da keinen Zugang zum Kind bekommt. Problematisch wird es, wenn das über mehrere Wochen geht und sich überhaupt nichts verändert. Wenn die Familienatmosphäre nur noch von Kampf und Streit belastet ist und man keine schönen Momente mehr haben kann. Wenn der Alltag davon dominiert wird, dass man von einem Machtkampf in den nächsten rutscht und nicht in der Lage ist, eine schöne Kuschelzeit zu haben oder einen schönen Tagesausflug zu genießen, weil es immer in Konflikte ausartet – dann gibt es einen dringenden Handlungsbedarf.

Machtkämpfe sind ein Teufelskreis

Du schreibst im Buch von einem Teufelskreis. Was meinst du damit?
Das ist eine Spirale, die sich immer mehr abwärts dreht. Da ist das Kind, das ein bisschen anders reagiert, als man sich das wünscht. Darauf reagiert man als Eltern und setzt eine Grenze. Meistens sind damit auch unangenehme Gefühle verbunden, die wir als Eltern haben. Dann reagiert das Kind darauf und protestiert, denn kein Kind bekommt gern Grenzen gesetzt. Auf diese Reaktion des Kindes reagiere ich wieder als Mutter oder Vater und bin genervt. Daraus entwickelt sich ein Machtkampf. Wenn das immer weiter läuft und wir keinen Ausstieg finden, werden die Emotionen auf beiden Seiten immer stärker. Und das Kind hat das Gefühl: Ich kann es meinen Eltern nie recht machen.

So habe ich das mit meinem Sohn auch erlebt. Wenn ich schwierige Momente mit ihm hatte, dachte ich: Wenn ich jetzt eine klare Grenze setze und ihm sage, wo es langgeht, dann wird er das schon verstehen. Aber es hat dazu geführt, dass er sich noch unverstandener gefühlt hat. Denn wenn die Grenzen zu eng werden, bekommt man keine Luft mehr. Und dann signalisieren die Kinder: Ich bin unzufrieden, ich fühle mich nicht gesehen, ich fühle mich nicht angenommen, ich darf nicht so sein, wie ich bin. Und dann reagieren sie mit Rückzug oder Rebellion.

Konflikte und Liebe schließen sich nicht aus

Welche Schritte sind nötig, um aus dieser Spirale rauszukommen?
Der entscheidende Punkt ist, dass Eltern die Verantwortung übernehmen und ihr Kind so annehmen, wie es ist. Mein Kind darf so sein mit seinen Besonderheiten und Charaktereigenschaften, die herausfordern. Ich selbst konnte diese Spirale durchbrechen, indem ich die bewusste Entscheidung getroffen habe, dass meine Liebe nicht von dem Verhalten meines Sohnes abhängig sein sollte. Wenn es Konflikte gegeben hat, habe ich trotzdem auch Grenzen gesetzt, wenn es nötig war, aber weniger in diesem Machtkampf-Modus.

Und es gab einige Momente, wo ich nach Konflikten zu ihm gesagt habe: „Auch wenn wir jetzt verschiedene Meinungen hatten, bist du trotzdem mein Kind. Ich hab dich trotzdem lieb und stehe zu dir. Und wir finden einen Weg.“ Mir war wichtig, dass er sicher sein kann, dass ich ihn lieb habe, auch wenn wir gerade Ärger haben. Das hat langfristig etwas verändert. Wir haben es dadurch geschafft, wieder auf eine warmherzige Beziehungsebene zu kommen.

Liebe ist eine Entscheidung

Aber wenn es mir schwerfällt, mein Kind zu lieben, weil es mich nervt oder wütend macht – was kann ich dann tun? Gefühle kann ich ja nicht „machen“.
Es ist richtig, dass man Gefühle nicht „machen“ kann, aber Liebe ist zunächst eine Entscheidung. Und wenn das am Anfang schwerfällt, würde ich empfehlen, dass man mit jemandem darüber redet, der einen unterstützt und vielleicht auch seelsorgerlich begleitet. Ich bin überzeugt, die Gefühle werden hinterherkommen. Das ist ein Prozess. Und wenn sich dann etwas verändert, kommen auch die Momente, in denen man wieder Liebe empfinden kann. Wenn das nicht funktioniert, muss man ein bisschen tiefer hingucken. Ich habe in meinem Buch ein paar Blockaden oder Hindernisse beschrieben.

Wenn man gar keinen Zugang zu seinen Gefühlen bekommt, kann das vielleicht an Erfahrungen aus der eigenen Kindheit liegen. Wenn man selbst als Kind eine unsichere Bindung hatte, dann wird es schwer, eine sichere Bindung zum eigenen Kind aufzubauen. Genauso können negative Glaubenssätze eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung verhindern. Wenn man trotz der Entscheidung, sein Kind anzunehmen, überhaupt nicht weiterkommt, ist es wichtig, mithilfe von Seelsorge oder Beratung den Ursachen auf die Spur zu kommen.

Du hast gerade beschrieben, dass du deinem Sohn einerseits Grenzen gesetzt, ihm aber auch vermittelt hast, dass du ihn liebst. Ich glaube, das ist für viele Eltern ein schwieriger Spagat zwischen schimpfen und kuscheln.
Ich finde, man kann auch mal schimpfen. Man kann auch mal sauer sein. Die Kinder können durchaus mitkriegen, dass man sich ärgert. Aber es muss aufgelöst werden, man darf in diesem Ärger nicht drinbleiben. Das hat etwas mit Vertrauen zu tun und dass ich dem Kind vermittele: Ich meine es gut mit dir, vertrau mir. Du wirst nicht immer alles verstehen, was ich mache, aber du bist mir wichtig.

Was hat dir geholfen?

Gab es in der Beziehung zu deinem Sohn eine Sache, die dir so richtig geholfen hat?
Ja, es gab einen Schlüsselmoment bei einem Seminar der Beratungsorganisation Team.F, wo ich vor vielen Jahren als Teilnehmerin war. Da erzählte eine Mitarbeiterin von ihrer angespannten Mutter-Tochter-Beziehung. Diese Mitarbeiterin hat beschrieben, wie sie in eine gute Beziehung kommen konnte. Das hat mein Herz tief berührt und ich habe die wichtige Entscheidung getroffen: Ich nehme mein Kind so an, wie es ist. Als Christin hat mir in den Jahren danach außerdem ein Bild immer wieder geholfen: Nämlich, dass mich Gott bedingungslos liebt, obwohl ich Fehler mache und manchmal Wege wähle, die ihm vielleicht nicht gefallen. Ich glaube, dass Gottes Herz trotzdem für mich immer offensteht und auch seine Arme weit offen sind. Dieses Bild hat mich immer wieder motiviert. So wie Gott uns Menschen liebt, möchte ich auch als Mama meinem Kind begegnen. Das ist für mich das perfekte Vorbild für Elternschaft.

Das Interview führte Bettina Wendland, Redakteurin bei Family und FamilyNEXT.

Sonja Brocksieper ist Diplom-Pädagogin. Sie lebt mit ihrer Familie in Remscheid, bietet Vorträge und Seminare zu Erziehung und Familie an und ist Mitarbeiterin bei Team.F sowie Dozentin an der TEAM.F-Akademie. Gerade ist ihr Buch erschienen: „Mit Liebe bewaffnet. Wie wir unsere herausfordernden Kinder annehmen“ (SCM Hänssler). sonja-brocksieper.de

 

Jahrelang hat Lisa Schmerzen beim Sex. Dann gibt ihr die Frauenärztin einen Tipp

Immer, wenn Lisa* mit ihrem Mann schläft, hat sie Schmerzen. Dann wendet sie sich an ihre Ärztin. Und erlebt bald ihren ersten vaginalen Orgasmus.

Als wir in den Flitterwochen unsere Hochzeitsnacht nachholten, hatte ich etwas Angst, dass es beim ersten Mal wehtun könnte, doch mein Mann war so zärtlich, dass es mir nicht schwerfiel, mich fallen zu lassen. Aber wir stießen auf Hindernisse. Miteinander zu verschmelzen war nicht so leicht, wie wir erwartet hatten, und es tat weh. Wir probierten in dieser Woche auf den Kanaren so manches, doch im Nachhinein hatten wir es uns wohl beide anders vorgestellt. Ich erlebte zwar viele schöne Höhepunkte – aber nicht, wenn er in mir war, sondern nur durch äußere Stimulation mit den Händen. Als wir wieder zu Hause waren, holte uns schnell der Alltag ein. Die Probleme beim Sex hielten an und ich stellte fest, dass wir längst nicht so oft miteinander schliefen, wie ich es erwartet hatte.

Es geht nur noch um den Kinderwunsch

Nachdem wir zwei Jahre verheiratet waren, fühlten wir uns bereit für Kinder. So setzte ich die Pille ab und hoffte, dass der gemeinsame Kinderwunsch neuen Schwung in unser Sexleben bringen würde. Nach wie vor tat es oft weh. Doch meine Erwartungen in Sachen Häufigkeit wurden enttäuscht und schwanger wurde ich auch nicht. Auch eine Behandlung im Kinderwunschzentrum brachte keinen Erfolg. Im Gegenteil. In unserem Sexualleben fühlten wir uns in diesen Monaten sehr unter Druck gesetzt. Besonders mein Mann litt darunter, dass es scheinbar nur noch um den Kinderwunsch ging.

Erst als wir diesen ein Stück weit loslassen konnten, ließ der Druck nach und es entstand wieder mehr Raum in unserer Beziehung – auch in sexueller Hinsicht. Fünf Monate nach unserer letzten Behandlung im Kinderwunschzentrum wurde ich dann tatsächlich schwanger. Im darauffolgenden Sommer kam unser Sohn zur Welt.

Immer noch Schmerzen

Während der Schwangerschaft schlief unser Sexleben leider wieder ein. Es dauerte schließlich über eineinhalb Jahre, bis wir nach der Geburt unser Sexleben wiederbelebten. Es war schön, doch unsere Probleme hatten sich nicht geändert. Intimität konnten wir genießen, aber sobald wir „richtig“ miteinander schliefen, bereitete es mir Schmerzen.

Ich fasste schließlich den Mut, mit meiner Frauenärztin darüber zu sprechen. Sie empfahl mir zunächst eine Behandlung durch Elektrostimulation. Für manche Frauen ist das wohl eine hilfreiche Therapie, bei mir änderte sich leider nichts.

Hilfe suchen ist keine Schande

Daraufhin empfahl mir meine Frauenärztin ein Gerät namens Epi-No. Es hilft, die Beckenboden- und Vaginalmuskulatur zu dehnen. Nach einigen Wochen Training schliefen wir miteinander und ich erlebte eine Überraschung: Es tat überhaupt nicht weh! Kurze Zeit danach erlebte ich tatsächlich meinen ersten Orgasmus, während mein Mann in mir war, indem ich dabei bewusst die Beckenbodenmuskulatur anspannte.

Inzwischen wünsche ich mir, ich hätte viel eher den Mut gefasst, mir Hilfe zu suchen. Ich habe gelernt, dass das keine Schande ist. Als Christin glaube ich, dass Gott gerade im Bereich der Sexualität so viel Schönes für uns bereithält, von dem uns falsche Scham oder prüdes Denken abhalten können.

*Name von der Redaktion geändert. Die Autorin möchte anonym bleiben.

„Kenne keine einzige Familie, bei der alles perfekt läuft“ – Mutter ist überzeugt: Viele haben falsche Vorstellungen vom Mama-Sein

Wenn schwangere Freundinnen ihr von der Zukunft vorschwärmen, kann Simone Oswald nur lächeln. Sie weiß: Es wird schwerer als gedacht. Und genialer.

Lange bevor ich schwanger war, wusste ich genau, wie mein Leben als Mama und mein zukünftiges Kind sein würden. Ich hatte sehr genaue Vorstellungen, wie etwa „das mit dem Stillen“ oder „das mit dem Schlafen“ bei uns mal ablaufen würde – ich hätte es schon Jahre vorher beschreiben können. Dann wurde ich tatsächlich Mutter und – Überraschung! – konnte mich bald vom Großteil meiner Ideen verabschieden.

Völlig falsche Hoffnungen

In meinem Umfeld findet derzeit ein kleiner Babyboom statt. Ich führe daher recht häufig ein kleines Pläuschchen mit Frauen, die ihr erstes Kind erwarten und eine ganz genaue Vorstellung von allem haben. „Mein Kind wird, darf, soll und möchte später niemals …“ – Und ich? Ich habe das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben und mich in meiner früheren Version sprechen zu hören. Immer wieder stelle ich mir daher die Frage: Wie gehe ich richtig mit Bald-Mamas und ihren Vorstellungen von Mutterschaft und Kindererziehung um?

Völlig normal ist, dass man sich vor dem ersten Kind kaum in diese Situation hineinversetzen kann. Ich hatte früher immer etwas Sorge, mich bei Baby- oder Kleinkind-Beschäftigungen schnell zu langweilen. Heute schaue ich mit ehrlichem Interesse einem kleinen Marienkäfer beim Krabbeln zu und langweile mich dabei keine Sekunde, weil mein Kind vor Begeisterung kaum zu halten ist. Großen Respekt hatte ich auch vor dem allgegenwärtigen Schlafmangel. Und auch wenn sich meine Augenringe heute kaum überschminken lassen, so hätte ich mir niemals vorstellen können, wie mein Herz hüpfen würde, wenn mich mein Sohn um kurz vor fünf Uhr morgens fragt, ob ich auch etwas „Schönes däumt“ habe.

Mehr weinen als lachen

Andererseits hatte ich mir in der Schwangerschaft eine ganze Reihe an Fotomotiven abgespeichert, die ich mit meinem Neugeborenen nachstellen wollte. Dass ich in den ersten Wochen nach der Geburt mehr weinen als lachen würde und es daher kaum ein Foto aus dieser Zeit geben würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste damals noch nicht, dass ich viele Monate lang eine Höchst-Dusch-Dauer von zwei Minuten haben sollte und dass ich beim Verlassen der Dusche schon wieder durchgeschwitzt wäre, weil mein Baby wie am Spieß brüllen und mein Herz in Flammen stehen würde.

Wenn eine Schwangere mir von Ängsten und Sorgen berichtet, dann fällt es mir leicht, darauf zu reagieren. Ich zögere keine Sekunde, ihr vorzuschwärmen, wie viel leichter, umwerfender, großartiger und genialer das Leben als Mama ist, als sie es sich vorher ausmalen kann. Unsicher bin ich mir allerdings, ob ich im umgekehrten Fall auch sagen sollte, dass es manchmal sorgenvoller und zehrender wird, als sie es sich jetzt vorstellt …

Mehr Ehrlichkeit?

Milchstau, Schlafentzug, Streit, Überforderung … Für viele Mamas sind das keine Fremdwörter. Ich finde: Viele herausfordernden Situationen sind gerade dadurch herausfordernd, weil man nicht mit ihnen gerechnet hat und sich daher auch nicht auf sie einstellen konnte. Sollte ich meinen Freundinnen gegenüber also mehr von den schwierigen Seiten sprechen, damit sie davon nicht überrascht werden? Wären sie dann besser vorbereitet?

Einerseits bin ich für Offenheit bei vermeintlichen Tabuthemen – denn genau das scheinen manche Probleme in der Elternschaft zu sein. In den sozialen Netzwerken etwa braucht es sogar einen extra Hashtag #fürmehrRealität. Denn genau diese geht zwischen all den aufgeräumten Kinderzimmern mit zur Einrichtung passend gekleideten Kindern etwas unter. Einige Neu-Mamas werden von Problemen überrumpelt, auf die man sich durchaus hätte einstellen können – wenn nur andere Mamas offen reden würden. „Warum sagt einem das vorher keiner, wenn es doch offensichtlich allen so geht?“, mag sich manche Frau da fragen. Und auch ich habe mir gewünscht, dass ich manche Dinge vorher gesagt bekommen hätte.

Träumen ist erlaubt

Wenn ich mir auf der anderen Seite vorstelle, dass damals, als ich schwanger und beseelt von perfekten Zukunftsvisionen war, erfahrene Eltern ständig mit der Realitätskeule meine rosarot-hellblaue Blase zerplatzt hätten – ich wäre ihnen vermutlich nicht nur dankbar gewesen. Wenn man so voller Vorfreude ist, dann möchte man nicht permanent hören, wie unrealistisch der eigene Blick auf diese kommende Zeit ist. Man möchte träumen und seine überwältigende Vorfreude genießen. Sollte dann die Baby- oder Kleinkindzeit doch anders verlaufen als erhofft – erst dann ist der richtige Zeitpunkt, sich damit auseinanderzusetzen. Ich vertraue darauf, dass meine Freundinnen mich um meine Erfahrungswerte bitten, wenn sie diese auch tatsächlich brauchen können. Bis dahin versuche ich, nicht mit ungefragten „Rat-Schlägen“ um mich zu schmeißen.

So belasse ich es dabei, von meinen Problemen im Mama-Alltag zu erzählen. Ich vermeide es aber, anderen zu suggerieren, dass meine Sorgen auch zwangsläufig auf sie zukommen werden. So einzigartig jedes Kind ist, so individuell ist auch unser Mama-Leben und unser Weg. Sicherlich ist es kein schlechter Gedanke, eine werdende Mutter vorbereiten zu wollen – doch geht das kaum, ohne ihr auch ein bisschen die eigene Geschichte überzustülpen. Ich versuche, die richtige Balance zu finden und meinen Freundinnen weder ihre Vorfreude zu beschneiden, noch ihnen ein unrealistisch perfektes Leben vorzugaukeln.

Ein Baby ohne Hunger und Müdigkeit? Fehlanzeige

Tatsächlich muss ich (zumindest innerlich) meistens auch eher schmunzeln, wenn ich mir anhöre, was meine Freundinnen für die Zeit nach ihrer Schwangerschaft alles geplant haben. Die wichtigste Voraussetzung für ihre Pläne ist dummerweise meist ein Baby, das weder schlechte Laune noch Hunger, Müdigkeit, Schmerzen oder einen eigenen Willen kennt und mit recht wenig Zutun der Eltern zufrieden ist.

Wenn sie davon reden, dass sie den Beikostplan schon auswendig gelernt haben und das Kind die ersten Jahre zuckerfrei leben wird, dann grinse ich leicht skeptisch. Wenn sie mir erklären, wie albern sie den berühmten Ratschlag „Schlaf, wenn das Baby schläft“ finden – denn ein paar Wochen oder Monate etwas weniger schlafen, das wird ja wohl nicht so schlimm sein? –, dann muss ich mich schon anstrengen, ein vielsagendes Lachen zu unterdrücken. Und wenn sie erklären, dass ihr Kind später niemals in einem Supermarkt wegen einer verweigerten Süßigkeit losbrüllen wird, dann lächle ich beschämt und bin froh, dass sie uns letzte Woche nicht zu unserem Einkauf begleitet haben.

Unperfekt und wunderbar

Sicherlich: Einiges davon funktioniert tatsächlich wunderbar, keine Frage. Diese Perfektion, in der manche Freundin ihre eigene Mutterschaft vor sich sieht, ist aber vermutlich nur auf sozialen Medien hinter bearbeiteten und gestellten Fotos zu finden. Oder wie viele Familien kennen Sie, bei denen alles perfekt läuft? Auf allen Ebenen? Ich persönlich: keine einzige.

Und genau dieses Wissen, das ich schon erfahren durfte und das sicherlich auch meine Freundinnen früher oder später erkennen werden, ist der eigentliche Grund, zu lachen und zu lächeln. Weil es eben nicht perfekt ist, das Leben mit Kindern. Und genau deswegen ist es ja so wunderbar! Sobald man sich von der perfekten Bilderbuch-Familie innerlich verabschiedet hat, lebt es sich gleich viel angenehmer. Man versinkt im heimeligen Chaos mit Kleinkind (mit Schokomund!), trägt manchmal Milchflecken auf Shirts, Augenringe und ungekämmtes Haar und verspricht sich selbst, erst wieder mit Kindern zu backen, wenn sie alt genug sind, um hinterher auch beim Aufräumen zu helfen.

Hoffen auf das Gute

So bleibt mir also nur eine Reaktion: Ich schweige. Und ich denke mir meinen Teil. Manchmal lache ich dabei innerlich, manchmal träume ich ihn mit, den Traum vom perfekten Leben mit Kind. Denn obwohl ich nun eigentlich „die Realität“ kenne, stelle auch ich mir zukünftige Situationen mit älterem Kind schön und ideal vor. Ich denke heute noch nicht daran, dass mein Zweijähriger als Teenager in der Pubertät verrückte Dinge tun könnte. Ich denke nicht darüber nach, dass er als Erwachsener Geldprobleme haben könnte. Ich mache mir keine Sorgen, dass er als Rentner unglücklich mit seinem Eigenheim sein könnte …

Ich blicke positiv in die Zukunft, obwohl ich ahne, dass sie realistisch gesehen auch Herausforderungen bereithalten wird. Ich will ganz bewusst positiv sein, ich hoffe mit voller Absicht auf das Gute. Und ich weiß, dass die Zukunft so viel mehr an Schönem bereithält, als ich mir jemals ausmalen könnte. Und genau diesen Genuss des Träumens wünsche ich auch meinen schwangeren Freundinnen. Es werden Probleme kommen, aber sie werden zu meistern sein! Und sollten wir irgendwann ein Gespräch darüber führen, dass gerade alles anstrengend ist und sie sich manches anders vorgestellt hatten – dann werde ich für sie da sein, mit offenem Ohr und liebendem Herzen zuhören und sie wieder dazu bringen, von einem umwerfenden „Bald“ zu träumen.

Simone Oswald arbeitet als Lehrerin und freie Texterin. Mit ihrem Mann und ihrem Sohn lebt sie im Landkreis Deggendorf.

Musikalische Früherziehung: So bereiten Sie Ihr Kind optimal auf ein Instrument vor

Warum ist musikalische Früherziehung wichtig und wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Das beantworten Claudia Pössnicker und Carina Beckmann von der Musikschule an der Ruhr im Interview.

Was ist musikalische Früherziehung und warum ist sie wichtig für Kinder?
Claudia Pössnicker:
 Musikalische Früherziehung beginnt mit vier Jahren, manchmal auch früher, in der Musikschule oder in Kooperation mit Musikschule und Kita und bedeutet zunächst einmal ganzheitliches Lernen. In den Kursen werden den Kindern zum einen allgemeine Kompetenzen wie sprechen, sehen, hören, tasten, Motorik, Geduld, Konzentration und Koordination beigebracht, aber auch soziale Kompetenzen wie Wertschätzung, Teamfähigkeit, Respekt, Empathie, Konflikt- und Kritikfähigkeit. Auch Selbstkompetenzen wie Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstbeobachtung kommen nicht zu kurz. All diese Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen, ist deshalb so wichtig, weil sie das spätere Instrumentalspiel erleichtern. Interessant ist, dass die Kinder mit einem angeborenen Rhythmusgefühl auf die Welt kommen. Sie bewegen sich rhythmisch zur Musik. Wenn diese Fähigkeit nicht aufgegriffen und trainiert wird, kann sie schwächer werden.

Gemeinsam singen ist eine gute Übung

Was kann ich davon zu Hause umsetzen?
Carina Beckmann:
 Man kann gut mit den Kindern zusammen singen. Wir bauen es als Familie oft spielend mit ein, und so entstehen manchmal zu bekannten Melodien lustige neue Texte. Eltern können mit ihren Kindern tanzen, hüpfen, klatschen und vieles mehr. Wir machen uns oft einfach laut Musik an und tanzen herum, spielen Luftgitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard und singen dazu.

Ab wann ist es sinnvoll, „richtigen“ Musikunterricht zu nehmen?
Pössnicker:
 Was Instrumente betrifft, ist es immer dann sinnvoll, damit anzufangen, wenn man den Wunsch dazu verspürt. Das hat meines Erachtens nichts mit dem Alter zu tun, sondern nur mit dem Interesse.

Einfach Instrumente ausprobieren

Wie merke ich, dass mein Kind besonderes Interesse an einem Instrument hat?
Beckmann:
 Das Kind fordert die Eltern zum Beispiel auf, eine bestimmte Musik immer wieder zu hören oder überhaupt Musik zu hören. Es findet vielleicht auch Straßenmusikanten interessant, versucht mit vorhandenen Gegenständen und Spielzeugen Musik „nachzumachen“. Außerdem wird es das Instrument, welches es besonders interessant findet, wahrscheinlich öfter benennen. Wenn Eltern und Kind sich unsicher sind, kann es einfach zur Musikschule kommen und einige Instrumente ausprobieren.

Worauf sollte man achten?
Pössnicker:
 Ganz wichtig finde ich, dass die Musikpädagog/-innen Freude an der Arbeit haben und den Schülerinnen und Schülern diese auch vermitteln können. Dass sie geduldig sind, jedes Kind als Individuum sehen und flexibel auf die Interessen eingehen, keinen Druck ausüben und wissen, was sie tun.
Beckmann: … und dass das Kind Freude daran hat!

Interview: Ruth Korte

Psychotherapeut zeigt: So unterschiedlich sind introvertierte und extravertierte Partner

Schüchterne Menschen leben und lieben anders als gesellige. Wie unterschiedlich sie Urlaub, Job und Sex verstehen, zeigt Experte Jörg Berger mit einem Wörterbuch.

Wer ist eigentlich merkwürdiger? Menschen, die im größten Trubel auftanken und entspannen können? Oder Menschen, die unausstehlich werden, wenn man sie von ihren Rückzugsmöglichkeiten abschneidet? Bereits Ihre Antwort auf diese Frage verrät Ihnen, ob Sie eher introvertiert oder extravertiert sind. Nur selten finden in der Liebe zwei sehr introvertierte Menschen zusammen, auch zwei sehr extravertierte Persönlichkeiten gehen nicht oft eine Paarbeziehung ein. Denn stille Menschen schätzen die Tatkraft und Lebendigkeit extravertierter Persönlichkeiten. Umgekehrt reizt diese die Ruhe und Empfindungstiefe introvertierter Partner. Viele Paare haben daher ein Aha-Erlebnis, wenn sie dem Gegensatz auf die Spur kommen, wie Menschen die Welt erleben.

Gesellig oder unabhängig?

Die Persönlichkeitspsychologie wird auch Psychologie der Unterschiede genannt (Differenzielle Psychologie). Sie befasst sich also vor allem mit der Frage, in welcher Hinsicht sich Menschen unterscheiden. Zu den wenigen wissenschaftlich gesicherten Eigenschaften, die Menschen voneinander unterscheiden, gehört die Dimension Introversion – Extraversion. Als extravertiert (wörtlich: außengerichtet) gelten Menschen, die in Fragebögen angeben, dass sie gesellig, gesprächig, aktiv und beziehungsorientiert sind. Introvertierte (wörtlich: Innengerichtete) kreuzen dagegen an, dass sie gegenüber anderen Menschen zurückhaltend sind, ihre Unabhängigkeit lieben und Aktivitäten auch gerne alleine durchführen.

Extraversion und Introversion sind dabei nicht als zwei Schubladen zu verstehen, in die man die Menschheit sauber einteilen könnte. Es sind vielmehr zwei Pole, und Persönlichkeiten befinden sich irgendwo zwischen diesen Polen, manche also auch in der Mitte. Ob sich ein Mensch eher introvertiert oder extravertiert entwickelt, ist weitgehend angeboren, auch wenn natürlich die Lebenserfahrungen bestimmen, wie sich diese Neigung entfaltet. Wer aus seinem zurückhaltenden Partner einen Partylöwen machen will, wird aber genauso auf Grenzen stoßen, wie der, der einen erlebnishungrigen Partner für ein beschauliches Leben gewinnen will.

Menschen lieben unterschiedlich

Der Persönlichkeitsunterschied in diesem Bereich reicht jedoch noch tiefer als bei unterschiedlichen Vorlieben. Extravertierte haben ein starkes Stimulationsbedürfnis und können intensive Sinneseindrücke gut verkraften. Sie fühlen sich daher wohl, wenn etwas los ist. Wenn sie nur schwache Reize erleben, fühlen sie sich schnell leer, gelangweilt und unruhig. Introvertierte dagegen reagieren stark auf Sinneseindrücke, ihnen genügen schwächere Reize, um sich angeregt und berührt zu fühlen. Deshalb brauchen sie Zeiten allein, um die Eindrücke zu verarbeiten und ihren Sinnen eine Pause zu gönnen. Dass introvertierte Menschen als weniger beziehungsorientiert gelten, halte ich für ein Missverständnis. Sie brauchen nur eine andere Dosis in ihren Beziehungen. Wo extravertierte Menschen ihre Liebe durch viele gemeinsame Aktivitäten und intensiven Austausch ausdrücken, zeigt sich die introvertierte Liebe durch eine Empfindungstiefe und eine starke innere Verbundenheit.

Ob Menschen eher introvertiert oder extravertiert sind, beeinflusst auch in der Liebe, wie sie Situationen erleben und was sie brauchen, um sich wohl zu fühlen. Das gleiche Wort kann etwas völlig anderes bedeuten, je nachdem ob Sie introvertiert oder extravertiert sind. Deshalb habe ich für Sie ein kleines Wörterbuch erstellt, das Ihnen Übersetzungshilfen für einige Schlüsselbegriffe der Liebe gibt.

Freizeit – runterkommen oder hochfahren?

Entspannung, die
introvertiert: Angenehme Abschirmung von Reizen; Möglichkeit, Erlebnisse im eigenen Inneren nachklingen zu lassen und auszukosten
extravertiert: Energiespendende Stimulation durch Begegnungen mit anderen Menschen und schöne Erlebnisse

Urlaub, der
introvertiert: Regeneration und Baumeln lassen der Seele an einem Ort sanfter Schönheit
extravertiert: Erlebnissteigerung durch neue, fremdartige Eindrücke und Aktivitäten

Freunde, die
introvertiert: Seelenverwandte, mit denen Gespräche in die Tiefe gehen; Menschen, die inspirieren, die eigene Entfaltung anregen und helfen, das Leben zu bewältigen
extravertiert: Interessante Persönlichkeiten, die Spaß an den gleichen Aktivitäten haben; Gefährten, die einander tatkräftig unterstützen und voranbringen.

Manche Paare fordert es heraus, in der Freizeitgestaltung auf einen Nenner zu kommen. Die Bedürfnisse des anderen können sich geradezu bedrohlich anfühlen: Der Erlebnishunger des einen kann beim anderen die Angst vor Überforderung und Überreizung wecken. Das Ruhebedürfnis des introvertierten Partners kann sich für den anderen wie eine Verurteilung zu Langeweile und einem verpassten Leben anfühlen. Diskussionen, welcher Lebensstil nun „normal“ oder „gut“ ist, bringen natürlich nicht weiter. Es bleibt nichts, als eine Wertschätzung dafür aufzubringen, wie der andere die Welt erlebt. Ein kleiner Trost: Das, was Sie am anderen schon immer lieben, hat auch mit ihrer/seiner Extraversion beziehungsweise Introversion zu tun. Wenn ich Paare berate, dann erlebe ich immer wieder: Wo Wertschätzung ist, finden sich auch Kompromisse. Warum soll der introvertierte Partner zum Beispiel nicht einfach später zur Party dazustoßen, damit jeder ein passendes Maß an Geselligkeit findet?

Nähe – Berührung oder Umarmung?

Gespräch, gutes
introvertiert: respektvolles Erkunden der inneren Welt des anderen; Anvertrauen von Gedanken und Gefühlen, die nicht viele erfahren
extravertiert: unzensierte Öffnung der eigenen Gedanken und Gefühle; fröhliches Eintreten in den inneren Raum des anderen

Medien, soziale
introvertiert: Möglichkeit, mit anderen verbunden zu sein, ohne dass es gleich intensiv und verpflichtend wird (Emoticons: in besonderen Momenten)
extravertiert: Möglichkeit, mit vielen Menschen gleichzeitig im Austausch zu sein (Emoticons: mehr davon!)

Sex, der
introvertiert: sanfte, wohlige Verschmelzung mit dem geliebten Menschen; Eintauchen in intensive Sinneseindrücke, gerne mit geschlossenen Augen
extravertiert: Fortsetzung der Kommunikation mit körperlichen Mitteln; Ort höchster Erlebnissteigerung mit intensivem Austausch und gemeinsamen Experimenten

Auch was Nähe angeht, kann es zu negativen Urteilen kommen: Der extravertierte Partner kann in seiner Direktheit und Intensität auf den anderen grob wirken. Die Vorsicht des introvertierten Partners kann dem anderen gehemmt vorkommen. Solche Urteile können Sie ablegen, wenn Sie nun die Gründe für die Unterschiede kennen. Das macht es leichter, sich in der Mitte zu treffen. Introvertierte Partner lernen dann, Bedingungen zu schaffen, unter denen sie auch eine leichte Überreizung verkraften: Für ein Gespräch könnte das zum Beispiel eine Verabredung zu Hause sein, die hilft, sich auf die Begegnung einzustimmen, unnötige Reize (wie elektronische Medien) abzustellen und sich vielleicht auch mit sanften Reizen wie ruhiger Musik zu umgeben.

Eine ähnliche Einstimmung kann auch beim Sex helfen, sich auf intensivere Reize einzulassen und zum Beispiel den Blickkontakt zu halten oder im erotischen Gespräch zu bleiben. Umgekehrt kann der extravertierte Partner lernen, dass auch er Reize intensiver wahrnimmt, wenn er vorher zur Ruhe und bei sich ankommt. Dann kann auch eine behutsame Annäherung im Gespräch oder beim Sex herrlich intensiv sein.

Aufgaben – Tiefgang oder Tempo?

Job, guter
introvertiert: Möglichkeit, die eigenen Gaben und das eigene Wesen zu entfalten und etwas Gutes beizutragen; ausgewogene Mischung von Teamarbeit und Arbeit alleine
extravertiert: abwechslungsreiche Herausforderung, sich selbst, andere und Projekte in Bewegung zu setzen

Job, schlechter
introvertiert: aufreibende Überreizung; der Aggression anderer ausgesetzt sein, ohne fliehen zu können
extravertiert: lähmende Eintönigkeit und krank machende Freiheitsbeschneidung

Kinder, die
introvertiert: empfindsame Gegenüber, denen man Respekt entgegenbringt und die man gemäß ihrer einzigartigen Persönlichkeit erzieht
extravertiert: fröhliche Wesen, die man anregen, in Bewegung und manchmal auf Kurs bringen muss

In der Aufgabenteilung können sich introvertierte und extravertierte Partner zu einem unschlagbaren Team verbinden. Die Weisheit und das Feingefühl des einen Partners machen die Dynamik und Tatkraft des anderen treffsicherer. Dabei sollte der introvertierte Partner darauf achten, den anderen mit seiner Empfindsamkeit nicht auszubremsen. Der extravertierte Partner dagegen sollte lernen, vor jeder Aktion einen Seitenblick auf den anderen zu werfen und zu spüren, welche Auswirkungen die Aktion wohl auf den anderen hat. Oft genügt eine kleine Rückfrage oder Anpassung, um die Einheit mit dem introvertierten Partner zu wahren.

Vielleicht atmen Sie am Ende dieses Artikels auf, weil Ihre Unterschiede nicht so groß sind. Sie finden leicht Kompromisse, wie intensiv Sie Ihre Kommunikation und Erlebnisse gestalten. Dann helfen Ihnen die Gedanken vielleicht, in manchen Bereichen noch Feinabstimmungen vorzunehmen. Vor allem aber werden Sie andere Paare verstehen, die größere Gegensätze überbrücken müssen. Vielleicht seufzen Sie aber auch und fragen sich, warum die Liebe so kompliziert ist. Doch wenn Kompromisse Sie viel Energie und Kreativität kosten, gewinnen Sie als Paar etwas Wertvolles: eine Einheit, die sehr unterschiedliche Gaben umfasst und sehr unterschiedlichen Menschen Freundschaft bieten kann.

Jörg Berger arbeitet als Psychotherapeut in eigener Praxis in Heidelberg.