Medienkonsum: „Handys wegnehmen funktioniert heute nicht mehr“, sagt der Social-Media-Papa

Tobias Bücklein ist Vater des bekannten YouTubers Oskar (@dieseroskar). Im Interview berichtet der Pädagoge und Social-Media-Experte, wie Eltern ihre Kinder in den sozialen Netzwerken begleiten können.

Sie haben einen Ratgeber zum Umgang mit TikTok, Snapchat und Co. geschrieben. Warum meinen Sie, braucht es so etwas?
Ich glaube, es braucht einen Ratgeber, weil die Entwicklung dieser Plattformen so schnell gegangen ist, dass so etwas wie ein Erziehungsvakuum entstanden ist. Die Mittel, die meine Eltern bei mir und auch ich noch bei meinem älteren Kind angewandt haben, um den Medienkonsum zu regulieren, sind durch die Erfindung des Smartphones innerhalb kürzester Zeit stumpf geworden. Meine Eltern haben früher einfach den Fernseher ausgemacht, oder ich habe das Handy weggenommen. Das funktioniert heute nicht mehr.

Von Pornos bis Tötungsszenen ist alles zugänglich

Wieso nicht?
Früher war das Handy nur zum Telefonieren da. Heute vereint es viel mehr Möglichkeiten! Es findet ein Großteil unserer Kommunikation darüber statt. Wir benutzen es, um herauszufinden, wann der Bus fährt, um Nachrichten zu lesen, uns Wissen anzueignen. Man kann auf allen möglichen Kanälen jede Menge lernen und hat die Möglichkeit, sich auszudrücken und auch Resonanz dafür zu bekommen.

Es gibt aber auch Gefahren. Welche sind das Ihrer Meinung nach?
Eine völlig unterschätzte Gefahr ist, dass viele Apps die Funktionsweisen unseres Gehirns ausnutzen: Sie analysieren, was wir gern mögen, und bieten uns exakt das immer wieder an. Das Prinzip ist, dass man so lange wie möglich auf dieser Plattform bleibt, die dafür wiederum Geld bekommt. Eine weitere Gefahr ist, dass heute alle möglichen Inhalte frei zugänglich sind: von den besten Tötungsszenen bis hin zu Pornos.

Die drittgrößte Gefahr ist die einseitige Wahrnehmung. Wenn man auf Instagram unterwegs ist, bekommt man den Eindruck, dass die Wirklichkeit nur aus gutaussehenden, perfekten Menschen besteht, die immer Erfolg und gute Laune, aber nie Stress haben. Die Gefahr ist, dass man anderen dabei zuguckt, wie sie ein perfektes Leben führen, und dabei selbst sein eigenes Leben vergisst oder als minderwertig betrachtet. Hinzu kommen Gefahren wie Kosten oder Urheberrechts-Fallen.

Eltern sollten Bescheid wissen

Wie können Eltern ihre Kinder vor diesen Gefahren schützen?
Das größte Problem ist, dass Eltern oftmals keine Ahnung haben. Entweder erlauben sie den Kindern alles oder aber sie verbieten alles, weil es ihnen gefährlich erscheint. Die sozialen Medien sind wie eine Großstadt: Da gibt es Kindergärten, Schulen, Parks, Spielplätze, schöne Geschäfte. Es gibt aber auch Puffs, Drogendealer und Gewalt. Sie können das Kind weder einsperren und ihm verbieten, sein Viertel zu verlassen, noch es nachts allein rausschicken. Sie sind dafür zuständig, Ihrem Kind den Weg durch die Großstadt zu zeigen! Dafür müssen Sie es aber auch kennen.

Eltern sollten sich unbedingt damit auseinandersetzen und eine Haltung dazu haben: Was für Werte will ich meinem Kind vermitteln? Und inwieweit wird es durch die Anwendungen unterstützt oder gefährdet? Kommen Sie darüber auch mit Ihren Kindern ins Gespräch, fragen Sie, warum sie welche Anwendung gern nutzen und scheuen Sie sich nicht, mit ihnen zusammen Neues auszuprobieren.

Interview: Ruth Korte

Taschengeld: So einfach lernen Ihre Kinder, richtig mit Geld umzugehen

Wie können Kinder den Wert von Geld kennenlernen? Diese Tipps helfen Eltern bei Taschengeld und Co.

„Und dann hat Phillipp sich Geld für den Eintritt ins Schwimmbad von mir geliehen, weil er sich vorher ein dickes Eis gekauft hatte. Der ist immer pleite!“ Was vielleicht wie eine kleine Episode im Alltag wirkt, zeigt die Herausforderung, vor der Eltern stehen: Wie können sie ihr Kind auf den Umgang mit Geld vorbereiten?

Einkaufen als Rollenspiel üben

Im Kindergartenalter haben Kinder wenig konkrete Vorstellungen von Geld und seinem Wert. Gern bieten sie den Eltern die Einhorn-Spardose zum Kauf des neuen Autos an. Viele Kupfermünzen ist für sie viel Geld. Im Alter von drei bis fünf Jahren können Kinder durch das spielerische Einordnen des Preises ihres Lieblingsjoghurts oder einer Kinderzeitschrift ein Gefühl dafür bekommen, was wie viel kostet. Dabei hilft das Rollenspiel des Einkaufsladens. Was ist teurer: Waschmittel oder ein Liter Milch? Hier kann es Spaß machen, die Spiel-Lebensmittel in eine Reihenfolge zu bringen, von günstig bis teuer. Was steht am Ende der Reihe? Was kauft Papa davon oft ein? Und was selten?

Für Vorschulkinder ist dieses Ranking ein tolles Spiel während des Einkaufens: Jedes Mal, wenn eine neue Ware in den Einkaufswagen gelegt wird, überlegt das Kind, was nun der teuerste Posten ist. Der Umgang mit Geld ist auch immer ein Vermitteln der Haltung einer Familie. Langes Duschen kostet Geld und belastet die Umwelt. Absichtlich zerstörte Spielsachen können nicht einfach nachgekauft werden. Büchereibücher werden gut im Auge behalten, um sie nicht teuer ersetzen zu müssen. Hier leben Familien nach den familieneigenen Werten.

Wenn wir Kindern beim Hausputz deutlich machen, dass Sorgfalt zum Umgang mit Besitz gehört, ist das auch ein Schritt für den Umgang mit Geld. Das gemeinsame Putzen des Fahrrads kann schon kleinen Kindern einen Einblick in die Werte der Familie geben.

Zwischen Sparsamkeit und Freigiebigkeit

Damit eine Familie neben der Sparsamkeit auch Großzügigkeit für andere übt, ist es wichtig, deutlich zu machen, dass Geld auch zum Teilen da ist. Diese Haltung kann durch eine Familienspardose für einen gemeinsam ausgesuchten Zweck vermittelt werden.

Mit dem Einführen von Taschengeld bietet es sich an, kleine Taschengeld-Planungen zu machen. Was möchtest du erreichen? Wie lange dauert es noch, bis dahin zu sparen? Ist dieser lange Weg passend zu dem Mehrwert, den du hast, wenn du dir jetzt nicht das Spielzeug, sondern erst später das teure Trikot kaufst?

Gerade für Familien, in denen der Umgang mit Geld in der Herkunftsfamilie der Eltern unterschiedlich gelebt wurde, ist die Balance zwischen großer Sparsamkeit und verschwenderischer Großzügigkeit eine Herausforderung. Dabei geben Eltern den Kindern durch das Vorleben auch im Kleinen wesentlich mehr mit als durch Regeln und Vorträge. Versuchen wir, immer gratis irgendwo mitzufahren, aus Kostengründen im Verein zu duschen oder bei der Picknickliste für die Schule etwas Kostengünstiges mitzubringen? Oder starten wir für einen sechsten Geburtstag mit Clown und Catering so „großzügig“ durch, dass sich die Frage aufdrängt, was denn am zehnten Geburtstag noch kommen kann?

Teurer Urlaub ist nicht alles

Reich zu sein ist für viele Kinder erstrebenswert. Ein großes Haus, Medien und Technik auf dem neuesten Stand, ein lässiges Auto, spektakuläre Urlaube … In diesen Zeiten können wir sorgsam gegenhalten. Was füllt uns als Familie? Was macht uns aus? Lassen sich lustige Abende nicht auch im Wohnwagen verbringen? Damit unsere Kinder lernten, Geld und seinen Wert einzuschätzen, haben wir spielerisch mit Wunschzetteln angefangen: „Wenn du von uns zu Weihnachten für 50 Euro Geschenke bekommen würdest, was würdest du dir wünschen?“ Das neueste Smartphone für über 1.000 Euro war schnell aus dem Rennen, gute gebrauchte Inliner aber möglich und dazu noch ein Puzzle des Lieblingsvereins. Wir haben die Kinder zu den Einkäufen für Geburtstagsfeiern mitgenommen und sie mitrechnen lassen. Für Rechenfans könnte man mit Nudelpackungen im Preisvergleich sogar den Dreisatz üben.

Eine Pauschale hilft beim Kleiderkauf

Das Rechnen hat sich auch bei einem weiteren Thema gelohnt: Ab dem zwölften Geburtstag gab es Kleidergeld pro Monat. Um die Höhe des Kleidergelds festzulegen, wurde eine fiktive Jahresliste mit Schuhen, Jacken, T-Shirts etc. angelegt. Was ist mit Sportsachen für das Hobby? Gehören die auch dazu oder werden diese Ausgaben von den Eltern übernommen? Die so ermittelte Summe wurde durch zwölf geteilt und den Kindern als Monatsbeitrag vorgeschlagen. Nun verfügten sie allein über dieses Geld. Das Geld zukünftiger Monate sollte aber nicht als Kredit im Voraus abgerufen werden können. Die Diskussionen, die daraus entstehen, ermöglichen es den Grundschulkindern und Teens, zu verstehen, dass Geld auch Verantwortung und Planung bedeutet. Eltern können dies an eigenen Anschaffungen deutlich machen und ihre Überlegungen transparent machen, ohne die Kinder mit dem Wissen zu belasten, welche finalen Beträge auf dem Familien-Konto sind.

Wenn eine finanzielle Entscheidung mies läuft, muss es dafür einen sicheren Übungsrahmen geben, um daraus zu lernen. Das gilt auch für das langfristige Planen von höheren Ausgaben wie die Anschaffung des Lego Supersets. Wenn das Taschengeld verbraucht ist, ist es verbraucht. Aber was tun, wenn das fünfte Paar Fußballschuhe angeschafft wird, aber keine warme Winterjacke? Die Mutter des frierenden Geld-Experten mit der alten Winterjacke muss dann sicher oft wegsehen. Aber besser einen Schal hinterherwerfen, als wenn ein junger Mensch keine Idee für den Umgang mit Geld entwickelt hat, oder?

Stefanie Diekmann ist Gemeindereferentin in Göttingen, verheiratet und Mutter von drei (fast) erwachsenen Kindern.

Auf diese 6 möglichen Streitpunkte sollten Sie achten, wenn Sie die Ausbildung Ihres Kindes finanzieren

Wie und wie lange sollten Eltern ihre Kinder finanziell unterstützen? Die Antwort darauf ist ganz individuell und hat gleich mehrere Spannungsfelder.

Zur Finanzierung der eigenen Kinder macht der Gesetzgeber klare Vorgaben zur Verantwortlichkeit von Eltern (s. untenstehende Links). Das Ziel besteht darin, dem Kind eine Berufsausbildung und damit eine finanzielle Eigenständigkeit zu ermöglichen. Das Kind ist im Gegenzug verpflichtet, eine Ausbildung zielstrebig abzuschließen. Diese auch zahlenmäßig festgelegten Vorgaben stellen einen guten Orientierungsrahmen dar, der im individuellen Fall noch weiter ausgestaltet werden will.

Individuell bedeutet: Nicht nur Familien sind ganz unterschiedlich in ihren Werten und Möglichkeiten, sondern auch jedes Kind ist ein Individuum mit seinen je eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Möglichkeiten.

Die Frage der Finanzierung ist nicht nur eine der reinen Zahlen. Das Thema Geld ist auch hochemotional. Deshalb fließen in die Überlegungen, ob und mit wie viel und wie lange man das Kind unterstützen möchte, immer auch die eigenen Werte, Beweggründe, Vorbehalte und Ängste mit ein. Diese zu entdecken oder sich noch mehr bewusst zu machen, dazu sollen die im Folgenden aufgeführten Spannungsfelder und Fragen als Nachdenk- und Diskussionsgrundlage dienen.

Spannungsfeld Möglichkeiten und Rahmenbedingungen

Entgegen der Redewendung „Über Geld spricht man nicht“ muss jetzt das Gespräch gesucht werden. Zum Beispiel über die elterlichen Möglichkeiten: Wie viel Unterstützung ist mir überhaupt möglich? Und in welcher Form? Als Geschenk, als Darlehen, als Sparguthaben, über das das Kind eigenständig verfügen kann? Und wenn mir eine finanzielle Beihilfe nicht oder nur sehr begrenzt möglich ist, kann ich das Kind vielleicht darin unterstützen, an andere Gelder und Fördermöglichkeiten zu kommen? In diesem Zusammenhang ist zu beachten: Wie sah die Erziehung des Kindes in Bezug auf Finanzen aus? Traue ich meinem Kind Budgetierung, Sparsamkeit und Bankgeschäfte zu? Wie ausführlich habe ich das mit meinem Kind besprochen und eingeübt? Was fehlt vielleicht noch?

Spanungsfeld Emotionen und Werte

Beim Thema Geld geht es nicht nur um nüchterne Zahlen. Sondern auch um Gefühle, Bedürfnisse und Werte. Bei Geld geht es um meine Existenzgrundlage, um Sicherheit, Macht, Möglichkeiten, Zukunft, Vertrauen, Großzügigkeit, Angst oder Geiz. Welche Sorgen und Befürchtungen entdecke ich da in mir?

Ein Kind zu finanzieren, vor allem in einem längeren Studium in einer anderen Stadt, kostet mich richtig was. Erwarte ich ausgesprochen oder unausgesprochen Dankbarkeit? Und wie soll sich diese ausdrücken? Oder ist meine Unterstützung ein bedingungsloses Einkommen, auf das sich das Kind verlassen kann, auch wenn es zwischen uns mal kriselt? Oder setze ich Bedingungen: Ich erwarte das Kind zum Sonntagskaffee, möchte mitbestimmen, wie das Studium ablaufen soll?

Ob und inwieweit ich mein Kind unterstütze, hängt auch von meinen Werten und Zielen ab. Ist es mir wichtig, dass so frühzeitig wie möglich eigenes Geld verdient wird? Oder finde ich Bildung und Horizonterweiterung von größter Bedeutung, und das darf auch ein paar Jahre dauern, Umwege nehmen, ein „Vollzeitjob“ sein?

Spannungsfeld Entwicklungsphase

Die jungen Erwachsenen befinden sich in einer Entwicklungsphase, in der sie sich abnabeln wollen von den Eltern. Endlich selbstständig, unabhängig und eigenverantwortlich ihr Leben gestalten. Im Gegensatz dazu verdeutlicht das (ausbildungsbedingte) Angewiesensein auf finanzielle Unterstützung die immer noch bestehende Abhängigkeit von den Eltern.

Spannungsfeld Umwege

Man hat miteinander ausgearbeitet, wie die Finanzierung der nächsten Zeit laufen kann – und dann verändern sich die Umstände. Orientierungslosigkeit, ein „Gap Year“, Ausbildungs- oder Studienfachwechsel oder langwierige Krankheiten lassen den Weg nicht mehr geradlinig, sondern verschlungen und ziellos erscheinen. Wie lange und wie oft kann und will ich das mittragen? Ab wann ist die Begrenzung meiner finanziellen Unterstützung sinnvoll? Wie können wir in diesen konfliktbehafteten Themen miteinander im Gespräch, in Kontakt, im gemeinsamen Ringen um eine gute Lösung bleiben?

Spannungsfeld Gerechtigkeit

Die Ungleichheiten, die in den Persönlichkeiten der Geschwister und in unterschiedlichen Ausbildungsgängen begründet liegen, werden zur Folge haben, dass die elterliche Unterstützung unterschiedlich, individuell ausfällt. Das eine Kind ist vielleicht in der Ausbildung, gibt Geld ab, weil es zu Hause wohnt und versorgt wird. Das andere befindet sich im Studium mit eigener Wohnung und erhält Geld. Eine Ausbildung kann in zwei Jahren beendet sein, ein Studium kann mehrere Jahre dauern. Viele Studierende verdienen etwas Geld dazu. Aber je nach Studiengang sind die Anforderungen unterschiedlich. Bei manchen Studiengängen und je nach Energielevel des Kindes ist es gut machbar, nebenher zu arbeiten. Bei anderen Studiengängen ist man mit den Veranstaltungen, dem Lernpensum und Langzeitpraktika komplett ausgelastet. Es hilft, wenn finanzielle Entscheidungen transparent sind und von den Geschwistern als gerecht empfunden werden.

Spannungsfeld Gemeinsame Lösung

Das Ziel ist, auch in diesen Finanzfragen zu einer Lösung zu kommen, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Prinzipiell gilt, wie bei vielen anderen Themen auch, dass ein offenes und ehrliches Gespräch die Beziehung stärkt und eine einvernehmliche Lösung greifbar werden lässt. Doch was ist, wenn Ehepartner (oder Ex-Ehepartner) die Situation und ihre Erfordernisse unterschiedlich bewerten? Oder wenn das Kind Forderungen stellt, sich ungerecht behandelt fühlt oder aus anderen Gründen meint, mit dem Ergebnis nicht leben zu können und dies die gegenseitige Beziehung negativ beeinflusst? Sich hier Hilfe von außen zu holen, ist dem emotionalen und sensiblen Thema durchaus angemessen.

Ausbildungswege verlaufen nicht immer geradlinig. Diese Entwicklungen als Eltern mitzuerleben, mitzubangen und mitzuhoffen, können diese Jahre anstrengend machen. Umso schöner, wenn dann der Tag kommt, an dem der Ausbildungsabschluss gefeiert werden darf. Dieser Tag signalisiert: Jetzt ist mein Kind in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Damit ist eine große Aufgabe der Elternschaft beendet. Und das ist ein guter Grund zu feiern.

Michaela Schnabel ist Mutter von drei erwachsenen Töchtern, die drei unterschiedliche Ausbildungsgänge in unterschiedlicher Länge und unterschiedlicher Finanzierung absolviert haben. Sie arbeitet als Sozialpädagogin und lebt in Witten.

Weitere Infos:

Deutschland:
Zahlen und Infos zu Unterhaltshöhen und Selbstbehalt finden Sie in der „Düsseldorfer Tabelle“: olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle
Studium finanzieren: studierenplus.de/bildung-finanzieren/studiumfinanzieren-ohne-bafoeg / arbeiterkind.de/studium-finanzieren
Infos zur Höhe von BAfÖG und Anspruchsvoraussetzungen: bafoeg-rechner.de
Stipendienprogramme: stipendienlotse.de / mystipendium.de / squeaker.net/de/Studium/Stipendium/Stipendien-Bewerbung/Uebersicht-Stipendienprogramme
Studienkredite: studentenwerke.de/de/content/studienkredite
Wenn der Weg zur Ausbildung Umwege aufweist: scheidung.org/kindesunterhaltausbildung/#Orientierungsphase_erlaubt

Schweiz:
Infos zur Ausbildungs-/Studienfinanzierung: berufsberatung.ch/dyn/show/7770 / ch.ch/de/stipendien-und-ausbildungsdarlehen/

Österreich:
Infos zur Studienfinanzierung: studieren.at/studienfinanzierung/

Tragetuch: „Gebt euren Babys Nähe!“, sagt die Expertin

Babytragetücher liegen im Trend. Warum das Tragen so wichtig ist und was man dabei beachten sollte, erklärt die Trageschulleiterin Petra Wilhelm.

Warum erlebt das Tragen von Babys so einen Aufschwung?
Eigentlich wurden Babys schon immer getragen. Mit dem Kinderwagen ist es in den Hintergrund gerückt und erlebt jetzt wieder eine Hochkultur, auch aus ganz praktischen Gründen: Man ist beweglicher, wenn man das Kind am Körper trägt! Menschenbabys sind Traglinge. Die Wissenschaft hat inzwischen bewiesen, dass sie am Körper der Eltern weiterreifen. Die Eltern sorgen beim Tragen für die Temperaturregulierung des Kindes. Auch rhythmische Körperarbeiten wie Herzschlag und Atmung bekommen immer wieder Impulse. Durch das Tragen wird auch die Verdauung unterstützt und das Urvertrauen und Selbstwertgefühl werden gestärkt. Babys funktionieren noch wie in der Steinzeit: Weggelegt werden bedeutet Todesgefahr! Am Körper der Eltern finden sie Sicherheit.

Aber es gibt doch auch Babys, die im Liegen zufriedener sind?
Wenn sich ein Kind wohlfühlt und eine gewisse Zeit gern im Kinder- oder Stubenwagen liegt, sollten Eltern dies genießen! Aber wenn das Kind zeigt, dass es die Nähe braucht, dann sollten sie es an den Körper nehmen.

Ab wann sollten Mütter ein Tragetuch verwenden?

Ab wann und wie lange sollte man sein Kind tragen?
Von Anfang an und so lange, wie es beiden guttut! Die Mutter sollte sich nicht gleich am Tag nach der Geburt das Tragetuch umbinden, sondern sich erst einmal im Wochenbett erholen und dort viel mit dem Baby kuscheln. Solange gibt es den Papa oder andere Bezugspersonen, die das Baby tragen können. Bei einem gesunden Kind spricht nichts dagegen, es von Anfang an zu tragen. Jedoch sehe ich Neugeborene nicht so gern in einer Tragehilfe, da konstruktionsbedingt die Haltung des Babys aufrechter ist und die Beinchen weiter gespreizt werden. Neugeborene haben in den ersten Wochen die Beinchen lieber eng zusammen und angehockt. Das brauchen sie, damit sich die Hüften gut entwickeln. Diese Haltung lässt sich mit einem Tragetuch meist besser unterstützen.

Wie finde ich heraus, was das richtige System für uns ist?
Das Angebot an Tragetüchern und -hilfen ist inzwischen riesig und macht es Eltern schwer, die für sie passende Tragemöglichkeit zu finden. Eine Trageberatung spart hier Zeit, Nerven und Geld, indem sie teure Fehlkäufe und Rückenschmerzen verhindert. In der Beratung wird individuell geschaut, was Eltern und Kind brauchen, und es wird die Möglichkeit des Erlernens und Ausprobierens gegeben. Gemeinsam wird geschaut, welche Trageweise wirklich passt und Eltern und Kind gut unterstützt. Denn gerade auch das Kind hat ein gehöriges Wörtchen mitzureden.

Was sollte das Kind im Winter anhaben?

Was empfehlen Sie im Herbst und Winter, wenn sowohl das Baby als auch die Eltern mehr anhaben?
Solange das Kind noch nicht selbst läuft, sollte es mit in der Jacke der Eltern getragen werden. Tragejacken und -einsätze schützen beide vor der Kälte. Wenn es schon läuft, kann es in der Tragehilfe über der Jacke getragen werden. Wenn das Kind dabei einen Schneeanzug trägt, bitte bei längerer Tragezeit überprüfen, ob es ihm nicht zu kalt ist. Die Luft wird beim Einbinden aus den Polstern des Anzuges gedrückt, und er kann so das Kind nicht mehr wärmen. Ein Wollwalkanzug ist da die bessere Wahl.

Interview: Ruth Korte

„Wird unser Sohn in der Schule gemobbt?“ – Auf diese Anzeichen sollten Eltern achten

Wenn Jugendliche unter Mobbing oder Cybermobbing leiden, besteht dringender Handlungsbedarf. Elterncoach Sandra Schreiber erklärt, was die Alarmsignale sind.

„Unser Sohn (14) zieht sich immer mehr zurück und erzählt uns kaum mehr etwas. Seine Klassenlehrerin hat uns erzählt, dass er in der Schule eher Außenseiter ist und wahrscheinlich sogar gemobbt wird. Darauf angesprochen, hat er sich in sein Zimmer verzogen und jedes Gespräch mit uns verweigert. Wir würden ihm gern helfen, aber wie?“

Geben Sie Ihrem Sohn Zeit und signalisieren Sie ihm, dass Sie für ihn da und gesprächsbereit sind. Vielleicht ist es möglich, dass er in einer entspannten Atmosphäre zu einer für ihn passenden Zeit auf Sie zukommt? Gab es in der Vergangenheit vielleicht Momente, in denen persönliche Gespräche leichter entstehen konnten (bei der Autofahrt oder beim Einkaufen)? Falls ja, probieren Sie diese Möglichkeit aus. Sie könnten ihm auch anbieten, sich seinen Gesprächspartner frei zu wählen. Möglicherweise gibt es eine Tante, die einen guten Draht zu ihm hat, einen Jugendleiter, ältere Geschwister oder vielleicht den Sporttrainer? Sollten die depressiven Gefühle und die Verweigerungshaltung anhalten, rate ich Ihnen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Was ist die Definition von Mobbing?

Da die Klassenlehrerin bereits das Wort Mobbing ausgesprochen hat, möchte ich Ihnen noch einige Überlegungen dazu mitgeben: Es ist wichtig, einen Unterschied zwischen Konflikt und Mobbing zu machen. Bei einem Konflikt sind die Beteiligten einigermaßen gleichstark und gleichberechtigt. Konflikte gehören zum Alltag, sie haben meist einen konkreten Inhalt und gehören zur sozialemotionalen Entwicklung dazu. Aus Konflikten kann man viel lernen, wie etwa nachgeben oder sich wehren, sich durchsetzen, Lösungen finden und Ähnliches. Im Gegensatz dazu herrscht beim Mobbing ein Kräfteungleichgewicht (das Opfer ist körperlich oder psychisch unterlegen), die Lösung aus eigener Kraft ist nicht möglich, und die Angriffe erfolgen systematisch, wiederholt und über einen längeren Zeitraum. Bei Mobbing handelt es sich um Macht und Schwäche, Drohen und Schweigen, Ausschluss und Einsamkeit, Manipulation und Hilflosigkeit.

Werden Sie aktiv!

Beobachten Sie Ihr Kind auf Verhaltensveränderungen wie etwa Leistungsabfall in der Schule, sozialer Rückzug, körperliche und psychische Reaktionen wie Angst, Übelkeit, Kopfschmerzen, Fehlen und Beschädigung von Schulsachen. Bedenken Sie, dass Mobbing auch in Form von „Cybermobbing“ in sozialen Netzwerken stattfinden kann und Ihr Sohn somit etwaigen Angriffen möglicherweise nicht nur vor Ort in der Schule ausgesetzt ist. Bestätigt sich die Vermutung, sollten Sie aktiv werden. Sprechen Sie zuerst mit Ihrem Sohn über Ihre und die Sorge der Klassenlehrerin. Achten Sie dabei darauf, dass Sie ihm keine Schuldzuweisungen machen. Erklären Sie ihm, dass er ohne die Hilfe von Erwachsenen nicht aus der Situation herauskommt und dass es Ihre Aufgabe als Eltern und Schule ist, ihm zu helfen. Versichern Sie ihm, dass alle Interventionen vorher mit ihm besprochen werden. In der Schule gibt es häufig einen Sozialarbeiter oder eine Vertrauenslehrerin, der oder die in Anti-Mobbing-Programmen geschult ist. Nutzen Sie das Helfersystem, das sowohl Ihr Kind als auch Sie als Eltern unterstützt und konkrete Hilfe leisten kann.

Sandra Schreiber ist Beraterin und systemischer Elterncoach in der christlichen Beratungsstelle „LebensRaum Gießen“. 

Lerncoach: Auch Menschen 50+ können Neues lernen, wenn die Voraussetzungen stimmen

Auch Senioren können noch Sprachen, Instrumente oder einen neuen Sport lernen. Coach Annette Penno erklärt, welche fünf Tricks dabei helfen.

„Wirst du es nicht bereuen? Wenn du jetzt aufhörst, wird das später viel schwerer. Denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr …“ Ich war in der Grundschule und hatte meinem Vater gerade erklärt, dass ich keinen Bock mehr auf den blöden Klavierunterricht hatte, den ich bekam. Wobei mich genau genommen meine Lehrerin langweilte – und nicht das Instrument. Und jetzt hingen die Worte meines Vaters wie eine dunkle Wolke in der Luft. Denn seine Warnung war zugegeben eine schlimme Vorstellung für mich: Ein Leben als Erwachsene in ewigem Bedauern darüber, dass ich eine Chance meines Lebens für immer verspielt hatte! Sollte das Sprichwort wahr werden? Lieber nicht. Also hielt ich noch ein weiteres Jahr durch und lernte viel. Nur leider eins nicht: Klavier spielen.

Lernen ist auch im Alter möglich

Damit Lernen leicht und mit Freude funktioniert, ist immer ein günstiges Umfeld notwendig. Und der Eindruck, dass etwas Neues zu lernen dem Gehirn umso schwerer fällt, je älter man ist, lässt sich ja nicht einfach so von der Hand weisen: Die Vokabeln fürs Urlaubsland wollen einfach nicht so gut hängen bleiben, wie man sich das denkt. Die jungen Wilden sind beim Bouldern oder Reiten so schnell so viel besser als man selbst. Und das Pauken für die Prüfung der Weiterbildung dauert gefühlt dreimal so lang wie zu Schulzeiten. All das erlebt man oft, wenn man sich an ein neues Lern-Unterfangen heranwagt. Außerdem es ist unangenehm, wenn einen das Gefühl beschleicht, dass man das nicht (mehr) hinkriegt! Lernt unser Gehirn im Erwachsenenalter also schlechter als in jungen Jahren? Lohnt sich der Aufwand überhaupt – auch gemessen am Frust, den man verdauen muss?

Die Erkenntnisse der Hirnforschung zur Lernfähigkeit des Gehirns machen Mut: Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, ist es tatsächlich so, dass zeitlebens neue Nervenzellen im Gehirn gebildet werden. Die Fähigkeit zur Veränderung unserer Gehirnstrukturen hört nicht auf, nur weil wir erwachsen sind. Ein gesundes Gehirn, das älter wird, ist also nicht wie ein statisches Gebäude, an dem unweigerlich der Zahn der Zeit nagt und das nach und nach verfällt. Es ist ein sehr flexibles, phänomenales Etwas, das durch unser Denken permanent bewegt und in seinen Netzwerken aus Nervenzellen umgebaut werden kann. Wir können mit unserem Geist bis zum Lebensende Neues lernen. Und da wir ohnehin nur zehn Prozent unserer verfügbaren Gehirnmasse benutzen, ist die intelligente Reserve zwischen unseren Ohren schier endlos.

Das Gehirn braucht Training

Dass unsere Lebenserfahrung uns dennoch so oft ein anderes Bild malt, liegt meiner Erfahrung und Beobachtung nach vor allem an zwei Dingen: Zum einen ist Lernen ein enorm komplexer und damit auch sehr störanfälliger Prozess. Es gibt einige Faktoren, die den Erfolg sehr beeinträchtigen oder hinausschieben können. Und zum anderen ist es mit unserem Gehirn wie mit einem Muskel. Wer seinen Geist gut im Training hat – indem er zum Beispiel liest, nachdenkt, für Perspektivwechsel, Haltungsänderungen und Neues offen ist –, kommt auch besser voran.

Wenn wir uns also bestimmte Störfaktoren bewusst machen und sie ausschalten, ist schon viel gewonnen. Und wenn wir uns dann noch entscheiden, lebenslang Lernende zu sein und mit einer Wachstumshaltung durch den Alltag zu gehen, wird sich der stetige Lernfortschritt kaum aufhalten lassen.

Lassen Sie sich nicht ablenken!

Geringe Konzentration: Um voll bei der Sache sein zu können, brauchen wir einen freien Kopf. Das ist im Arbeitsleben oft viel schwieriger als zu Schulzeiten, weil unsere Verantwortungsbereiche größer geworden sind. Kreisende Gedanken an den Anruf bei der Schwiegermutter oder den Knatsch mit dem Chef müssen erst einmal gestoppt werden, damit sie uns nicht ablenken. Dafür alles, was sich in drei Minuten erledigen lässt, am besten vor der Lern- oder Trainingsphase erledigen. Das, was man nicht vergessen will, auf einen Zettel notieren und ihn bis zur Bearbeitung bewusst an einen anderen Ort legen. Alle äußeren Reize, die ablenken, so gut es geht aussperren oder eliminieren.

Für einen guten Fokus ist außerdem ein gut gefüllter Energietank wichtig: Wenn das letzte Drittel anbricht, fällt die Konzentration naturgemäß schwer. Daher am besten einen Zeitpunkt zum Lernen wählen, an dem man nicht bereits hundemüde oder noch in Hektik ist. Bei Kopfarbeit für Wasser, Nüsse oder Traubenzucker und frische Luft sorgen, gern ein paar Kniebeugen machen oder zum aktuellen Lieblingssong durchs Zimmer tanzen – so kann ein gut versorgtes und angeregtes Gehirn 20 Prozent mehr (!) leisten als bei Unterversorgung.

Finden Sie heraus, was Sie motiviert!

Schwache Motivation: Wenn wir uns das schöne Ziel unseres Lern-Vorhabens vor Augen malen, einen guten Zeitpunkt dafür gewählt haben und die Menge der Aufgabe nicht überfordert, haben wir eine gute Grundmotivation, um loszulegen. Dennoch kann es sein, dass es sich sehr mühsam anfühlt. Da jeder Mensch durch unterschiedliche Dinge motiviert wird, kann es helfen, sich zu überlegen, welche Umstände (auch in anderen Momenten) motivierend wirken und die Stimmung heben. Das kann alles sein, vom Lieblingspulli über einen reizarmen Lernplatz oder schönes Arbeitsmaterial bis zum Witz des Tages, den man sich vorliest. Was auch immer für gute Laune sorgt und einen in den „Ich-bin-großartig-und-kann-das-schaffen“-Modus versetzt, sollte genutzt werden!

Und: Oft wird unterschätzt, wie schwierig das Lernen allein ist. Das jüngste Distanzlernen allein vorm Bildschirm hat nicht ohne Grund eine noch größere Leistungsschere unter Schülerinnen und Schülern hervorgebracht. Egal, wie alt wir sind: Wir sind nicht dafür gemacht, alles allein zu schaffen. Hat man einen Lernpartner oder ein kleines Team, geht es oft leichter, weil man sich gegenseitig anspornen, ausfragen und auch mal bei Bedarf den Lernfrust bei den anderen abladen kann …

Greifen Sie auf Bilder und Eselsbrücken zurück!

Falsche Lernstrategien: Wer sich die Vokabeln schon früher nicht mit Karteikarten oder stumpfem Abschreiben ins Gedächtnis hämmern konnte, dem wird das auch als Erwachsenem nicht plötzlich gelingen. Ist auch kein Wunder: Soll kognitiver Lernstoff ins Hirn, braucht gehirnfreundliches Lernen eigene assoziative Bilder und Emotionen. Die sind quasi das Lieblingsessen für unsere grauen Zellen und gehen gut rein. Sketchnotes, Mnemostrategien oder auch die gute alte Eselsbrücke wären entsprechende Techniken, die man sich aneignen kann und die so „merkwürdig“ sind, dass sie besser im Kopf bleiben.

Seien Sie nett zu sich!

Geschwächte Beziehung: Ausreichend Studien belegen, dass der Lernerfolg zu mindestens 60 Prozent von der Beziehung zur Lehrkraft oder Trainingsperson abhängt. Lernen ist Beziehungsarbeit. Lernt man allein, ist die Art und Weise, wie man mit sich selbst dabei umgeht, umso wichtiger: Wie rede ich eigentlich gedanklich mit mir, wenn mir etwas nicht gleich gelingt? Wie reagiere ich bei Fehlern oder eigenen Schwächen? Das ist ein Hinweis darauf, wo noch ungenutztes Erfolgspotenzial liegt. Denn wir alle brauchen Lob, Nachsicht und Ermutigung – und sabotierende Sätze im gedanklichen Selbstgespräch wie „Mist, schon wieder falsch“, „Bin ich eigentlich blöd?“ oder „Boah, ich kann das echt nicht“ sind hinderlich für Leistung und Laune. Gehen wir also liebevoll mit uns um, damit wir unseren Erfolg nicht selbst ausbremsen.

Besuchen Sie einen Lerncoach!

Innere Blockaden: Wenn uns Missgeschicke oder Fehler im Lernprozess an Negativerfahrungen in unserer eigenen Lernbiografie erinnern, kann es sein, dass wir uns innerlich festfahren und Lernen zum emotionalen Drahtseilakt mit Absturz wird: Plötzlich holt ein bestimmter Gedanke, Satz oder ein ähnliches Setting wie zu Schulzeiten unsere längst vergessenen oder weggesperrten Gefühle wieder hoch. Und dann geht nix mehr. Unser Inneres blockiert und geht in den Widerstand. Erlebte Mini-Traumata wie Beschämung vor oder von anderen, zu viel Druck, verletztes Selbstvertrauen oder missglückte Prüfungserfahrungen legen uns wortwörtlich lahm. Denn die Stresshormone, die unser Körper dann ausschüttet, wirken wie eine Bremse aufs Denken. Und das ist keine Einbildung, sondern eine biochemische Tatsache. Nur ein entspanntes Gehirn lernt gut! Da von allein wieder herauszukommen, ist meist sehr schwierig. Spätestens dann lohnt sich der Gang zum Lerncoach, um diese Blockaden aufzulösen und Hilfen zum Überwinden an die Hand zu bekommen.

Gewiefte Greise

Auch wenn es von der zweiten Lebenshälfte bis zum Greisenalter noch etwas dauern mag: Aus den Erkenntnissen der Neurowissenschaft lässt sich demnach ein ganz anderes Zukunftsszenario entwerfen als das übliche Bild, das die Medien oft in Sachen Alter präsentieren. Ein betagter Hans Dampf statt Demenz, eine gewiefte Alte voller Scharfsinn statt Altersstarrsinn – wäre das nicht toll? Und die Chance auf diese Option ist oft nur eine Entscheidung weit entfernt: Unser Gehirn trainiert zu halten, uns nicht gedanklich festzufahren und immer bereit zu sein, etwas Neues zu lernen und das auch in Angriff zu nehmen. Hilfe gibt es bei Bedarf. Wenn damit unser demografischer Wandel viele Alte mit vielfältigen Fähigkeiten und beeindruckender Weisheit hervorbringen kann, ist das eine faszinierende Vorstellung, an deren Umsetzung ich gern mitwirken will. Deshalb tue ich tatsächlich gerade etwas, das ich schon lange vorhatte: Ich suche ein E-Piano …

Annette Penno praktiziert als Master-LernCoach offline und online in Lübeck: annettepenno.de

Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Mit diesen 5 Tipps meistern sie die Work-Life-Balance

Kann es gelingen, Familie und Beruf so zu planen, dass alle zufrieden sind? Coach Christine Jaschek gibt fünf Tipps, wie Paare den passenden Weg für sich finden können.

Überall wird sie diskutiert, gefordert und propagiert: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch in der Realität stoßen Familien an diesem Wunsch immer wieder an wie an einer Glastür. Diese „Glastür“ können äußere Rahmenbedingungen wie der Wohnort, die Kinderbetreuungszeiten, der Arbeitgeber, aber auch innerfamiliäre Einflüsse sein. Oder eine weltweite Pandemie. Am Ende steht die resignierte Schlussfolgerung: Es funktioniert nicht und ist ein Wunschdenken.

Klar ist, dass sich bei den Unternehmen, in der Gesellschaft und in der Politik noch viel bewegen muss, damit sich eine Vereinbarkeit für alle umsetzen lässt. Dennoch beginnt Veränderung im Kleinen. Daher sollte jede Familie für sich an der Umsetzung des Wunschtraums der Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten. Besonders in der letzten Zeit waren Familien und Arbeitgeber gezwungen, in kurzer Zeit viel in Sachen Vereinbarkeit dazuzulernen und auszuprobieren: Was ist machbar? Wo sind Grenzen? Welche Modelle sind erfolgreich und welche nicht?

Ganz zu Beginn möchte ich klarstellen, dass für jede Familie die Vereinbarkeit anders aussieht, egal, ob mit Eltern in einer Paarbeziehung, in einer Patchworkfamilie oder als Alleinerziehende. Das ist auch gut so. Die perfekte Anleitung oder Empfehlung gibt es nicht. Aber es gibt ein paar Tipps, die helfen, die Vereinbarkeit so umzusetzen, dass alle in der Familie glücklich sind. Wir arbeiten in unserer Familie immer wieder daran, und auch in meinen Coachings sind es oft dieselben Themen, über die wir sprechen.

1. Vereinbarkeit beginnt mit der Kinderplanung

Bereits vor der Kinderplanung sollte man sich als Paar darüber einigen, wie das Familienleben aussehen kann, wenn Kinder da sind. Keiner sollte sich scheuen, seine Vorstellung darüber zu äußern. Es gibt keine Tabus – jeder Wunsch oder jede Vorstellung hat seine Berechtigung. So gelangt man zu einer gemeinsamen Vorstellung, weil jeder vom anderen weiß, was er oder sie sich wünscht. In dieser Zeit wird die Basis für ein gemeinsames Familienleben gelegt.

Eine wichtige Frage ist, wie sich die Familie finanziert. Hierfür gibt es viele individuelle Antworten: Für Familien mit beiden Eltern können die Modelle des Alleinverdieners oder das eines Voll- und eines Teilzeitverdieners interessant sein, aber auch, dass beide Vollzeit arbeiten oder beide Teilzeit oder jedes andere Modell. Wichtig dabei ist, dass jeder das Recht hat, dass seine Vorstellung ernst genommen und gemeinsam an einer Basis gearbeitet wird. Denn jeder kann nur glücklich sein, wenn er seine Bedürfnisse erfüllt sieht. Alleinerziehende haben in dieser Frage weniger Auswahl: Bei ihnen ist der finanzielle Druck höher, weil er auf den Alleinerziehenden allein liegt – vom Unterhalt abgesehen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Zwei Berufstätige

Meinem Mann und mir war von Anfang an klar, dass ich in jedem Fall arbeiten will. Ich selbst war vor meiner Selbstständigkeit wie er in verschiedenen Leitungspositionen tätig. Gleichzeitig hatten wir uns bewusst für unsere Kinder entschieden. Uns war klar, dass wir das Doppelverdiener-Modell wählen würden. Ich arbeite nicht Vollzeit, aber einen hohen Stundensatz, und er in Vollzeit. Da er in seinen Leitungspositionen sehr flexibel war und ist, können wir viel gemeinsame Zeit mit unseren Kindern genießen.

Bis heute ist es uns wichtig, dass wir beide so arbeiten, dass genügend Zeit für unsere Kinder und unsere Familie bleibt und unsere Kinder nicht von morgens bis abends in der Kindertageseinrichtung sind. Bei uns heißt das, dass mein Mann sie morgens hinbringt und ich früh zu arbeiten beginne. Ich hole sie am frühen Nachmittag ab und spätestens zum gemeinsamen Abendessen treffen wir uns alle wieder zu Hause. Natürlich wird im Lauf der Jahre dieses Modell immer wieder in Frage gestellt, angepasst oder verändert. Leben ist Veränderung, genauso wie die Art und Weise, wie wir Familie gestalten.

2. Investiert in eine starke Paarbeziehung!

Eltern sein ist schön, aber nicht alles! Um gemeinsam die Anforderungen des Alltags zu meistern, ist eine feste Paarbeziehung wichtig. Diese kann im Alltagstrubel schnell verloren gehen, weil man sich gegenseitig aus den Augen verliert und nicht mehr aufeinander achtet. Der Fokus liegt auf der Bewältigung des Alltags und auf den Kindern. Deshalb sind gemeinsame Auszeiten ohne Kinder wichtig. Es braucht anfangs Mut, loszulassen, aber mit zunehmender Routine geht es besser. Zu Beginn hält man sich lieber in kurzer Reichweite auf, sodass man schnell bei den Kindern sein kann. Wenn sich alle daran gewöhnt haben, kann man den Radius erweitern. In Zeiten digitaler Kommunikation ist man schnell informiert und kann jederzeit reagieren. Übrigens genießen es die Kinder auch, einmal ohne Eltern zu sein.

Mein Mann und ich versuchen, einen Abend im Monat für uns zu planen, an dem wir beide ohne Kinder Zeit miteinander verbringen. Das kann ein Kinobesuch, ein gemeinsames Essen oder eine gemeinsame Aktivität sein. Einmal im Jahr fahren wir zusammen ohne Kinder für ein Wochenende weg. Da wir generell viel verreisen, haben wir daneben noch viele Zeiten, in denen wir zusammen mit den Kindern unterwegs sind. Für die Abende ohne Kinder haben wir einen Babysitter oder fragen die Großeltern. Natürlich hat dieses Vorhaben in den zurückliegenden Monaten wegen der Corona-Pandemie gelitten, aber wir haben darauf geachtet, dass wir es wieder in die Tat umsetzen können, sobald es die Situation zulässt.

Wichtig ist uns, dass wir gemeinsame Erlebnisse schaffen, die uns als Paar stärken. Wir besprechen unsere Alltagssorgen, Gedanken um die Kinder, Vorstellungen für die Zukunft, unsere Wünsche und vieles mehr. Es geht darum, an der gemeinsamen (Werte-)Basis zu arbeiten für einen respektvollen und achtsamen Umgang miteinander. Gegenseitige Vorwürfe bringen keinen weiter. Schließlich haben wir uns versprochen, in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten.

Auszeit alleine nicht vergessen!

Ich kann nur jedem empfehlen, sich zu trauen und die Kinder einen Abend oder ein Wochenende anderweitig gut betreuen zu lassen. Diese Zeit ist wertvoll und hilft, als Paar bestehen zu bleiben. Nur wenn man versteht, warum sich der andere gerade so verhält, kann man gemeinsam daran arbeiten und Änderungen umsetzen. Daneben sollten Auszeiten allein ebenfalls möglich sein, um sich beispielsweise mit Freunden zu treffen. Denn wir alle sind für uns selbst verantwortlich, müssen für uns selbst sorgen und bleiben trotz Familie auch eigenständige Personen. Und deshalb darf es ruhig auch einmal der Abend ganz ohne Mann und Kinder sein, um in Ruhe und in aller Ausführlichkeit mit der Freundin zu reden. Pausen gelten auch für Alleinerziehende! Und sie sollten sich diese auch nehmen. Entweder kann man mit dem anderen Elternteil eine entsprechende Aufteilung besprechen oder man hat Eltern, gute Freunde oder einen Babysitter, die einem die benötigten Pausen verschaffen können.

3. Gemeinsam ist man stark

Die Rolle des Vaters hat sich in den letzten Jahren gesellschaftlich extrem gewandelt. Väter wollen heute mehr denn je ihren Teil zum Familienleben und der Erziehung beitragen. Sie wollen nicht nur zusehen, sondern Bestandteil sein. Vereinbarkeit lässt sich besser realisieren, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Sei es im Familienleben, weil die Aufgaben im Haushalt geteilt werden, sei es in der Kinderbetreuung, weil auch der Vater Zeiten in der Betreuung übernimmt, und sei es im Berufsleben, weil jeder finanziell seinen Beitrag leistet und somit das Einkommen gesichert ist. Zeiten, die Kinder allein mit dem Vater verbringen, sind ebenso wertvoll wie Zeiten, in denen sich die Mutter allein um die Kinder kümmert. Jedes Elternteil erzieht anders, davon profitieren die Kinder ungemein.

Damit schließt sich auch der Kreis zu Tipp 2. Je besser die gemeinsame Basis als Paar ist, desto stärker ist man zusammen! Dies gilt auch für getrennt lebende Eltern, denn auch wenn man kein Paar mehr ist – Eltern bleibt man ein Leben lang. Und damit auch in dieser Verantwortung. Klar gibt es Arbeitsplätze, die dies besser oder schlechter bewerkstelligen lassen. Aber in Zeiten des Fachkräftemangels und der beständigen Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben auch Arbeitgeber erkannt, dass sie sich an dieser Stelle bewegen müssen. Die Umsetzung von Home-Office in den letzten Monaten ist nur ein Beispiel für eine Maßnahme, die vorher bei vielen Tätigkeiten als undenkbar gegolten hat oder nur sehr ausgewählt gewährt wurde. Daher kann ich nur raten, dem Arbeitgeber gegenüber mutig seine Wünsche zu äußern. In den meisten Fällen lässt sich eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wird.

4. Achtet auf die Kinder!

Bisher haben wir den Blick auf die Eltern gelegt, denen die Vereinbarkeit gelingen muss. Aber in diesem System gibt es einen wichtigen Faktor, um den sich alles dreht: die Kinder. Sie sind ein guter Gradmesser, ob das aktuelle Familienleben gut ist und für alle passt. Sind die Kinder ausgeglichen und entspannt, kann man davon ausgehen, dass auch sie sich in dem System wohlfühlen. Kann man Änderungen in den Verhaltensweisen erkennen, wie plötzliche Aggressivität, schlechte Laune, keine Lust auf bisherige Aktivitäten, Anhänglichkeit, Weinerlichkeit oder Ähnliches, dann sollte man genauer und kritisch hinsehen. Kinder können ihre Gefühle erst mit zunehmendem Alter in Worte fassen. Anfangs drücken sie ihre Gefühle über ihr Verhalten aus. Deshalb muss man sie genau im Auge behalten und bei eindeutigen Anzeichen kritisch überlegen, was der Auslöser sein kann.

5. Reduziert den Druck!

Stress und Druck sind bekannte Phänomene im Familienleben. Sie entstehen auf mehreren Ebenen. Besonders, wenn beide Elternteile arbeiten oder nur der alleinerziehende Elternteil, ist das oft mit Stress verbunden. Jeder steht zeitlich unter Druck: pünktlich auf der Arbeit sein, die Kinder pünktlich abholen und daneben noch Arztbesuche, Einkaufen, Hobbys und vieles mehr. Es gibt genug zu tun, deshalb kann es hilfreich sein, die Kinderbetreuungszeiten großzügiger zu buchen. Das bedeutet, dass ein zeitlicher Puffer morgens und/oder abends entsteht. Dies kann beispielsweise zwischen Arbeitsende und dem Abholen der Kinder sein, sodass man nicht unter Druck nach Hause fahren muss oder noch Zeit hat für ein paar Erledigungen oder einfach zum Durchatmen nach einem stressigen Arbeitstag.

Stress wirkt sich auch auf die Kinder aus! Deshalb empfiehlt es sich umso mehr, für ein gutes Zeitmanagement zu sorgen. Auch im Hinblick auf sich selbst: Wer gestresst ist, macht Fehler. Ein anderer Druck, unter dem Eltern oft leiden, ist der Druck, perfekt zu sein. Macht euch frei davon! Es ist egal, ob Krümel auf dem Boden liegen, wenn das Kind spielen will. Die Krümel können warten. Die Kinder aber wollen die freie Zeit mit den Eltern genießen. Und wenn die Eltern oder der Vater oder die Mutter sich die Zeit nehmen und alles andere hinten anstellen, wird das die Erinnerungen schaffen, von denen Kinder als Erwachsene zehren.

Ungewöhnliche oder als ungewöhnlich wahrgenommene Lebenskonzepte können oftmals Skepsis bei anderen auslösen. Auch davon muss man sich freimachen. Wichtig ist, dass ihr euch – Eltern und Kinder – wohlfühlt, ob mit oder ohne Krümel auf dem Boden, in einem traditionellen Familienbild oder einem modernen. Damit schließt sich der Kreis: Jede Familie benötigt ihr individuelles Vereinbarkeits- und Lebenskonzept, in dem alle zufrieden sind!

Habt Spaß!

Natürlich braucht es Mut, sich zu lösen und neue Wege in der Gestaltung des Familienlebens zu gehen. Je mehr Einigkeit im Elternpaar herrscht, umso besser kann man mit Fragen oder gutgemeinten Ratschlägen umgehen, die deutlich machen, dass andere die Entscheidung nicht nachvollziehen können. Wer sich Vereinbarkeit wünscht und dem Familienleben oberste Priorität einräumt, folgt einer neuen gesellschaftlichen Sichtweise. Diese unterscheidet sich bereits von der Sichtweise unserer Eltern. Denn für diese war es noch deutlich klarer, dass sich das Familienleben dem Beruf unterordnen muss. Heute hat sich das gewandelt, viele ordnen das Familienleben als gleich wichtig zum Beruf ein. Am wichtigsten ist: Das Leben mit Kindern soll Spaß machen! Nur mit Humor können wir auch einmal die schlechten Launen unserer Kinder oder unsere eigenen schlechten Phasen kompensieren. Je glücklicher die Familienmitglieder sind, desto glücklicher ist das Familienleben!

Christine Jaschek ist verheiratet und hat zwei Kinder. Viele Jahre war sie in Leitungspositionen tätig, heute arbeitet sie selbstständig als Unternehmensberaterin sowie als Coach: christine-jaschek.de

„Unser dreijähriger Sohn hört nicht auf ‚Nein!'“ – Das rät die Expertin

Was tun, wenn das Kind nicht gehorcht? Erziehungswissenschaftlerin Daniela Albert erklärt, wie Eltern reagieren sollten und was sie unbedingt vermeiden müssen.

„Unser Sohn (fast 4) hört nicht auf uns. Trotz mehrmaligem Nein-Sagen und dem Androhen von Konsequenzen zieht er sein Verhalten durch und bereitet uns damit nicht nur Stress, sondern bringt sich auch selbst in Gefahr! Auch anderen fällt dieses Verhalten auf. Manche raten uns zu mehr Härte. Müssen wir unser Kind denn strafen, damit es gelingt?“

Ihr Sohn ist mit drei Jahren noch sehr klein. Oft erwarten wir von Kindern in diesem Alter zu viel Kooperation. Besonders das „Hören“ auf Zuruf funktioniert in dieser Phase oft noch nicht. Wenn Kinder sich ein Ziel gesetzt haben (zum Beispiel auf das höchste Klettergerüst auf dem Spielplatz zu kommen), dann ist der kindliche Fokus genau dort und nicht bei dem, was Sie sagen. Auch die Gründe für Ihre Verbote kann Ihr Sohn selbst noch nicht abschätzen, sodass es ihm noch schwerer fällt, seine Aktivität zu stoppen. Das, was er tut, ist in diesem Moment sehr wichtig für ihn, und es fällt ihm schwer, umzudenken.

Reagieren Sie ruhig!

Was Ihr Sohn in solchen Momenten wirklich braucht, ist Ihre Begleitung. Wenn Sie beobachten, dass er etwas tut, was er nicht soll, dann gehen Sie zu ihm. Erklären Sie ihm in ruhigen und wenigen Worten, dass das nicht geht. Und wenn er es trotzdem tun möchte, nehmen Sie ihn sanft aus der Situation. Es ist völlig in Ordnung, ein kleines Kind wegzutragen oder festzuhalten, wenn es dabei ist, sich in Gefahr zu bringen oder andere Dinge zu tun, die nicht gewollt sind.

Es kann sein, dass Ihr Kind dann mit Wut oder Trauer reagiert. Hier ist es wichtig, dass Sie diese Gefühle begleiten und sie ihm nicht übelnehmen. Wenn er jetzt schreit, weint, sich auf den Boden wirft, sie beschimpft oder vielleicht sogar hauen will, dann liegt das daran, dass er in diesem Moment sehr frustriert und sein kleines Nervensystem überfordert ist.

Härte bringt nichts

Genau deshalb würde auch „mehr Härte“ nichts bringen. Ihr Sohn würde den Zusammenhang zwischen einer Strafe und seinem Verhalten gar nicht verstehen, sondern nur mitnehmen, dass Sie etwas für ihn Unangenehmes tun. Zudem schaden Strafen Ihrer Beziehung zueinander, und Konfliktsituationen verschärfen sie mittelfristig eher, als dass sie sich dadurch lösen lassen.

Ein Gedanke zum Schluss: Die Entwicklungsphase, in der Ihr Sohn sich befindet, ist sowohl schön als auch herausfordernd. Gerade wenn er sehr unternehmungsfreudig und willensstark ist, kann es in dieser Zeit auch anstrengend werden. Das Letzte, was Sie in schwierigen Situationen brauchen, sind Menschen, die Ihnen durch „Ratschläge“ noch mehr Druck aufbürden. Ich möchte Sie ermutigen, solche Sätze zukünftig zu ignorieren und mit Ihrer Aufmerksamkeit ganz bei sich und Ihrem Kind zu bleiben.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern– und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de. 

Keine Angst vorm Tod: Schon als Kind schiebt Bestattungsfahrer Benjamin Särge durch die Gegend

Wie ist es, als Kind neben Toten zu spielen? Benjamin Rosenthal weiß es, denn seine Familie fährt seit Generationen die Toten zu ihrer Ruhestätte.

Böhmisch-Rixdorf. Wer in diesem Teil von Berlin-Neukölln ankommt, hat das Gefühl, in eine andere Zeit zurückversetzt worden zu sein. Die Betlehemskirche aus dem 15. Jahrhundert mit ihrem hölzernen Glockenturm. Berlins älteste Schmiede, in der heute immer noch Schmuckstücke oder Messer in der heißen Glut geschmiedet werden. Die historischen, blumenberankten Häuser und die alte Dieselzapfsäule aus den 50ern. Das Kopfsteinpflaster führt direkt in den Hof des Familienunternehmens Gustav Schöne. „1894“ prangt groß auf einem der Gebäude – das Gründungsjahr. Geschäftsführer Benjamin Rosenthal empfängt mich dort in kurzer Lederhose und blauem T-Shirt. Aufschrift: SUPERDAY. Viele, die auf diesem Hof eintreffen, haben allerdings keinen super Tag, sondern ihren letzten bereits erlebt. Das Bestattungsfuhrunternehmen befördert seit vielen Jahren die Toten Berlins: Abholung aus der Wohnung oder dem Krankenhaus, Zwischenlagerung in einem der 100 Kühlfächer, Fahrt zum Friedhof oder Krematorium.

Hochzeitsfahrten lohnen sich nicht mehr

Benjamin Rosenthal öffnet die schwere, hölzerne Tür und führt mich in den Kutschenstall. Zwei weiße Hochzeitskutschen stehen hier, ein schwarzer, eindrucksvoll düsterer Bestattungswagen aus handgeschnitzter Eiche, eine gelbe Postkutsche. An der Wand hängt altes Pferdegeschirr. Im 19. Jahrhundert startete der Firmengründer Gustav Schöne seinen Fuhrbetrieb mit zwei Pferden und fuhr Ärzte zu Patienten. Nach und nach kamen Fahrten für die Müllabfuhr und die Post hinzu, später auch Hochzeitsfahrten. 1927 wurde das erste Auto angeschafft. Heute werden die Kutschen nur noch als Filmrequisiten ausgeliehen, selbst die Hochzeitsfahrten lohnen sich nicht mehr. So hat sich das Unternehmen mittlerweile auf Bestattungsfahrten spezialisiert. Benjamin Rosenthal leitet das Geschäft in fünfter Generation, gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Mutter.

Die letzte Fahrt in Würde

Um sechs Uhr morgens war er heute schon auf dem Hof, um aufzuschließen. „Dann kommen die ersten, liefern Särge oder es kommt jemand vom Krematorium und holt eine Verstorbene ab“, erklärt er. Der Großteil seiner Arbeit besteht aus logistischen Tätigkeiten. Wer fährt mit welchem Wagen wann wohin? Um die Übersicht zu behalten, hat der Betrieb im Büro einen Bildschirm, der den Standort der Transporter anzeigt. Diese Woche ist es ruhig, es sind nur 6 von seinen 20 „Jungs“, so wie er sie nennt, im Einsatz. Manchmal ist auch mehr los, dann befördern sie zwischen 20 und 40 Tote jeden Tag.

Auch heute fährt Benjamin Rosenthal manchmal noch mit und holt Verstorbene mit einem der Bestattungswagen ab. Gerade steht die neue, cremeweiße E-Klasse auf dem Hof. Rosenthal öffnet den Kofferraum. Der Sargraum ist hell und schlicht ausgestattet. Zwei Panoramafenster mit Vorhängen geben den Hinterbliebenen die Möglichkeit, einen letzten Blick auf den Sarg werfen zu können. An der Decke leuchten kleine LED-Sterne, wie am schwarzen Nachthimmel.

Fußballspiel zwischen Särgen

Benjamin Rosenthal ist auf dem Hof groß geworden, spielte als Kind hier oft Fußball oder sauste mit dem Fahrrad herum. Wenn die Türen zum Kühlraum mal aufstanden und ein Sarg zum Abschiednahme-Raum geschoben wurde, dann fassten er und sein Bruder mit an. „Für mich war das was ganz Normales“, erzählt er. Tod und Sterben waren für ihn schon als Kind so selbstverständlich, dass er sich nicht mehr daran erinnern kann, wann er das erste Mal verstand, wer in den Särgen liegt. Oft wird der Familienunternehmer gefragt, wie er als Kind damit umgegangen sei. Dann antwortet er, dass der Tod für ihn schon immer mit zum Leben gehörte.

Mit 16 Jahren fuhr er zum ersten Mal im Bestattungswagen mit und holte einen Verstorbenen ab – so wie auch andere Kinder aus familiengeführten Unternehmen irgendwann mitarbeiten. An seinen ersten Toten erinnert er sich nicht mehr, er hatte auch nie Berührungsängste. „Aber den ersten Verstorbenen, der nicht mehr so schön war, den vergisst man nicht. Schon allein wegen des Geruchs“, sagt er. „Wenn jemand zum Beispiel schon sehr lange in der Wohnung lag und dann sind da schon überall die Fliegen.“

Kinder gehen ganz offen mit dem Tod um

Die vierjährige Tochter von Benjamin Rosenthal wächst, wie er damals, auf dem Hof auf. Ist sie gerade da und er schiebt einen Sarg aus der Kühlung, dann bittet er sie manchmal, mit anzupacken. Einmal hat sie ihn gefragt, wer da im Sarg liegen würde. „Und dann sagt man ganz normal: Das ist jemand, der verstorben ist und nicht mehr lebt“, berichtet er. „Alles klar“, war dann die schlichte Antwort seiner Tochter. Mehr Fragen hatte sie bisher nicht. Auch die Kitakinder, die regelmäßig den Hof besuchten, als dort noch Pferde standen, waren mit einer simplen Antwort zufrieden, erzählt Benjamin Rosenthal. „Kinder gehen oft viel offener mit dem Tod um, als wir. Deswegen ist es schade, wenn versucht wird, sie davon fernzuhalten.“

Es wäre sogar viel einfacher für sie zu verstehen, dass Oma oder Opa nicht mehr da sind, wenn sie noch etwas zum Anfassen oder Sehen hätten. Deswegen würden einige Bestatter mittlerweile auch spezielle Angebote für Kinder machen: Sie können beispielsweise den Sarg bemalen oder beschreiben. Manche arbeiten auch mit „Sorgenfressern“, kleinen Puppen, die einen Reißverschluss als Mund haben und denen die Kinder ihren Kummer in Form eines Bildes oder Textes anvertrauen können. „Es gibt auch wunderbare, schön illustrierte Bücher zum Thema. Die kann man als Eltern mit dem Kind lesen“, sagt er.

 „Über das, was nach dem Tod kommt, habe ich mir noch nicht so Gedanken gemacht.“

Benjamin Rosenthal ist kein Philosoph. Obwohl er jeden Tag Särge mit Verstorbenen über den Hof schiebt, hat er sich bisher wenig Gedanken gemacht, was danach passiert. Er hofft aber, dass sein eigenes Ende möglichst wenig schmerzhaft ist. Am liebsten würde er einfach zu Hause alt werden und eines Tages nicht mehr aufwachen. Ich frage ihn, was er Menschen antwortet, die Angst vor dem Sterben haben. Längere Gesprächspause. „Das hat mich noch keiner gefragt“, sagt er dann etwas ratlos. Vielleicht ist er zu nah dran, um noch Angst haben zu können.

Er geht das Thema vor allem pragmatisch an und rät, möglichst früh mit Freunden oder Familie über den Ablauf der eigenen Beerdigung zu sprechen. Ist eine Erd- oder eine Feuerbestattung gewünscht? Welche Musik soll gespielt werden? „Viele, denen ich erzähle, dass sie sich vorher über einen groben Ablauf Gedanken machen sollen, haben sich danach bedankt.“ Der Tod lässt sich nicht kontrollieren. Doch wer seine Beerdigung plant, hat das Gefühl, wenigstens einen kleinen Teil davon steuern zu können. Das kann vielleicht ein bisschen die Angst nehmen.

Humor hilft

Am Eingang des Kutschenstalls lehnen ein blaues Kinderfahrrad und ein Motorrad. Wenn Benjamin Rosenthal abschalten möchte, dann setzt er sich auf das Motorrad und fährt los, um eine Weile nichts zu hören und zu sehen. Auch Treffen mit seinen Freunden und Unternehmungen mit seiner Tochter helfen ihm, nicht mehr darüber nachzudenken, was mit den Toten genau passiert ist oder wie eine Familie jetzt gerade leidet. Zudem gäbe es auch noch den Gemeindeseelsorger aus der evangelischen Brüdergemeine, die seine Familie besucht.

Wenn es darum geht, die Verstorbenen zu versorgen, sei sehr viel Mitgefühl gefragt. „Aber wenn wir dann wieder mit den Kollegen im Auto sitzen, unterhalten wir uns ganz normal und machen oft auch Witze. Das ist wie eine Schutzfunktion“, erklärt der Unternehmer. Tagtäglich bekomme er mit, wie schnell das Leben zu Ende gehen kann. Deswegen sei es umso wichtiger, es zu genießen und Spaß zu haben. Wir verlassen den Kutschenstall wieder und gehen dabei an einem Stapel Särge vorbei. Benjamin Rosenthal öffnet einen: „Mal sehen, ob der leer ist“. Kurze Schrecksekunde meinerseits. Natürlich ist er leer. „Kleiner Scherz“, meint er grinsend. „Bestatterhumor“.

Sarah Kröger ist freie Journalistin und Projektmanagerin und bloggt unter neugierigauf.de zu Themen wie Familie, Digitales, Arbeit, Soziales und Nachhaltigkeit.

Wochenbettdepression bis Psychose: Wenn die Tage nach der Geburt zur Zerreißprobe werden

Sarah, Beatrice und Anna hatten nach der Geburt ihres Kindes mit psychischen Krankheiten zu kämpfen. Lisa-Maria Mehrkens erzählt ihre Geschichte.

Sarah wurde nach langem Kinderwunsch endlich schwanger. Doch bereits im dritten Monat wurde Schwangerschaftsdiabetes bei ihr festgestellt. Sechs Monate lang musste sie sich mehrmals täglich Insulin spritzen. Für sie eine schwere Zeit voller Überwindung, Angst, Schmerzen, Tränen, die sie für ihr Kind erträgt. Innerlich plagen sie Zweifel: „Ohne Kind keine Nadeln, dieser Gedanke war permanent in meinem Kopf. Ich versuchte, das Kind dafür nicht zu hassen. Es konnte ja auch nichts dafür! Oder?“

Die Geburt ging schnell, aber ständige Hebammenwechsel, das schmerzhafte und langwierige Nähen eines Dammrisses, Beschimpfungen durch den Arzt und ihr neugeborener Sohn, der weit weg von ihren Armen schreiend unter der Wärmelampe lag, ließen Sarah nur Überforderung fühlen. Auch mehrere Monate nach der Geburt wartete sie vergeblich, dass sich Liebesgefühle für ihr Kind einstellten. Erst nach drei Jahren suchte Sarah sich Hilfe, um die Beziehung zu ihrem Sohn zu retten – viel zu spät, wie sie selbst bekennt.

Was ist eine nachgeburtliche posttraumatische Belastungsstörung?

So wie Sarah ergeht es etwa ein bis zwei Prozent aller Frauen in Deutschland, bei denen schwierige Schwangerschaftsverläufe und traumatische Geburten zu starken psychischen Beeinträchtigungen im Wochenbett führen. Die Dunkelziffer von Frauen, die nach der Geburt unter quälenden Gedanken und Alpträumen leiden, ist weitaus höher. Experten sprechen von einer „nachgeburtlichen posttraumatischen Belastungsstörung“. Dabei ist es unwichtig, ob Schwangerschaft und Geburt nur subjektiv als besonders belastend erlebt wurden oder auch objektiv schwierig waren, etwa durch einen Kaiserschnitt oder wenig einfühlsame Geburtshelfer. Wiederkehrende negative Erinnerungen an die Geburt, Schlafstörungen, Gereiztheit und das Vermeiden aller mit der Geburt verbundenen Aktivitäten, wie Sexualität mit dem Partner oder Körperkontakt mit dem Kind, können die Folgen sein. Häufig fällt es Betroffenen schwer, sich die mangelnden Liebesgefühle zu ihrem Kind einzugestehen.

Wann wird der Baby Blues zur Krankheit?

Doch auch ohne schwierige Schwangerschaft oder eine als traumatisch erlebte Geburt können psychische Erkrankungen im Wochenbett auftreten. Sie entstehen meist durch eine Kombination aus genetischen, hormonellen, psychischen und sozialen Einflüssen, zum Beispiel Vorerkrankungen, familiäre Häufungen, die Hormonumstellung im Wochenbett, eine zu geringe Unterstützung durch das Umfeld oder auch ein zu hoher Erwartungsdruck der Mutter an sich selbst.

Etwa 50 bis 70 Prozent aller Mütter kennen den „Baby Blues“ ein paar Tage nach der Geburt: Durch Hormonumstellungen kann es zu häufigem Weinen, Ängstlichkeit, Stimmungsschwankungen, Erschöpfung sowie Konzentrations-, Appetit- und Schlafstörungen kommen. Verschwinden diese Symptome nach spätestens zwei Wochen nicht von allein, könnte es sich um eine Erkrankung handeln, die einer Behandlung bedarf.

Depression nach der Geburt

So erging es Beatrice, die zweimal nach der Entbindung ihrer Söhne an einer mehrmonatigen Depression erkrankte. Sie musste häufig weinen, litt an Übelkeit und Erschöpfung, konnte kaum schlafen und essen. Das erschwerte auch den Aufbau von Nähe zu ihren Kindern: „Ich hatte Angst vor dem nächsten Tag. Ich hatte Angst, nie eine glückliche Mutter werden zu können.“ Ihre Familie und Freunde unterstützten sie durch Gebet und praktische Hilfe. Doch erst Medikamente, ein Klinikaufenthalt und eine Psychotherapie brachten nach einigen Monaten Besserung.

An einer nachgeburtlichen Depression wie bei Beatrice leiden ungefähr 10 bis 15 Prozent aller Mütter. Symptome treten bei manchen schon während der Schwangerschaft, bei anderen erst bis zu einem Jahr nach der Geburt auf. Antriebsschwäche, Lustlosigkeit, innere Leere und Traurigkeit, Appetit- und Schlafstörungen sowie Konzentrationsschwäche sind nur einige Anzeichen. Sehr belastend erleben viele Mütter das Gefühl, ihr Kind nicht richtig zu lieben, und das damit verbundene schlechte Gewissen. Manchmal geht die Krankheit mit starken Ängsten oder Zwängen einher.

Daraus können eigene Erkrankungen entstehen, die betroffene Frauen und ihr Umfeld stark belasten und einen normalen Alltag unmöglich machen. Dadurch denken manche Mütter sogar an Selbstmord. Die seltenste und schwerste Form der nachgeburtlichen Erkrankungen ist die Psychose, die etwa ein bis zwei von 1.000 Müttern betrifft. Symptome zeigen sich meist in den ersten vier Wochen nach der Entbindung. Dazu zählen unrealistische, extreme Ängste, Wahnvorstellungen und Halluzinationen, die meist auf das Kind bezogen sind und eine große Gefahr für Mutter und Kind darstellen.

Eine Psychose lähmte Anna

Anna erkrankte nach der Geburt ihrer Tochter an einer solchen Psychose. Das Wochenbett verbrachte sie ohne Kind in der Psychiatrie. Es folgten mehrere Klinikaufenthalte mit und ohne Kind sowie eine ambulante Psychotherapie. Anna durfte ihre Tochter eine Zeit lang nicht allein sehen, wurde vorübergehend für nicht geschäftsfähig erklärt, ihr Mann zu ihrem Vormund bestimmt. Sie erhielt viel Unterstützung und Kraft von ihrem Umfeld durch Gebet, Gespräche und praktische Hilfe.

Doch die notwendigen Medikamente hatten Nebenwirkungen: „Die Tage waren lang und zäh und kosteten mich unglaublich viel Kraft. Ich hatte an nichts mehr Freude oder Spaß. Ich fühlte mich wie erschlagen, ständig müde und überfordert von allem und jedem. Ich dachte, meine Tochter nicht genug zu lieben. Sie ging mir auf die Nerven und ich musste aufpassen, sie nicht zu schlagen. Ich überlegte, ob meine Familie ohne mich besser dran wäre und ob ich mir etwas antun sollte“, beschreibt sie ihren damaligen Zustand. Ein erster Versuch, die Medikamente abzusetzen, brachte die Psychose zurück. Bis heute muss Anna Medikamente nehmen und ist nur eingeschränkt arbeitsfähig.

Erkrankung rechtzeitig erkennen

Viele Betroffene schämen sich für ihre Erkrankung oder haben Schuldgefühle und sprechen nicht darüber. Doch bei etwa 20 bis 30 Prozent der Mütter mit einer nachgeburtlichen psychischen Erkrankung werden die Mutter-Kind-Bindung und damit auch die Entwicklung des Kindes negativ beeinflusst. Deswegen ist es umso wichtiger, die Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen und passend zu behandeln. Denn dann bestehen gute Heilungschancen.

Der Austausch mit Familie, Freunden, anderen Betroffenen oder professionellen Helfern und Helferinnen wie Hebammen, Psychotherapeuten oder Fachärzten kann hilfreich sein, um das Erlebte zu verarbeiten. Auch praktische Unterstützung im Alltag durch das Umfeld wirkt entlastend auf die Betroffenen. Ebenso können Selbsthilfevereine ein guter Anlaufpunkt sein (siehe Kasten). Bei schweren Verläufen von Depressionen und Psychosen sind schnelle medizinische und medikamentöse Behandlungen durch Ärzte und Psychotherapeuten wichtig, um die Gefahr für Mutter und Kind abzuwenden und eine langfristige Bindungsstörung zu verhindern. Dafür gibt es spezielle Fachkliniken. Diese Behandlungen können jedoch bis zu mehreren Jahren dauern.

Drei Mütter – drei Zukunftsvisionen

Sarah, Beatrice und Anna haben unterschiedliche Krankheitsverläufe erlebt. Sie wollen anderen betroffenen Frauen Hoffnung geben, dass sie nicht allein sind und es besser wird. Sarahs Sohn ist mittlerweile fast sieben Jahre alt. Noch heute kämpft sie um die emotionale Nähe zu ihm. Eine Mutter-Kind-Kur soll nun Besserung bringen. Beatrice erlebte zweimal, dass nachgeburtliche Depressionen geheilt werden können, und hat heute eine sehr gute Beziehung zu ihren beiden Söhnen. Dennoch entschied sie sich unter anderem aus Sorge, die Erkrankung erneut durchstehen zu müssen, gegen ein weiteres Kind. Obwohl Anna bis heute mit den Folgen ihrer Erkrankung zu kämpfen hat, hat sie eine gute Bindung zu ihrer zweieinhalbjährigen Tochter aufgebaut und wünscht sich ein zweites Kind. All diese Mütter verbindet die Liebe zu ihren Kindern und der Wunsch nach der besonderen Nähe zwischen Mutter und Kind. Und dafür werden sie weiterkämpfen.

Lisa-Maria Mehrkens ist Psychologin und freie Journalistin und lebt mit ihrer Familie in Chemnitz.

Hier finden Betroffene Hilfe:

Selbsthilfevereine:
schatten-und-licht.de
postpartale-depression.ch
selbsthilfe.at
Spezialisierte Beratungsstelle:
nachdergeburt.com
Wochenbettdepressionshotline (D):
0 15 77/47 42 654
Elternnotruf (CH):
08 48/35 45 55