Wie ehrlich sollten Partner miteinander sein? Das sagen die Experten

Ist die kleine Notlüge in der Beziehung erlaubt? Wann Ehrlichkeit zwingend notwendig ist und wann nicht, darauf gibt es keine leichte Antwort.

Paul [Name von der Redaktion geändert] hat seit mehreren Wochen eine Affäre. Seine Ehefrau und seine Familie liebt er, so sagt er. Sexuell fehlt ihm seit Jahren etwas in seiner Ehe. Trennen will er sich auf keinen Fall. Denn seine Familie steht für Paul an erster Stelle und er fühlt sich moralisch verpflichtet, zu seinem Ehegelübde zu stehen. Ehrlichkeit ist für ihn keine Option. Seine sexuellen Bedürfnisse permanent hintanstellen kann er aber auch nicht.

Auch Clara [Name von der Redaktion geändert] hat ein Geheimnis. Sie verschweigt ihrem Mann, dass ihre Konten jeden Monat überzogen sind, sie überall Schulden hat und ihre Kreditkarte glüht. Clara kauft Kleidung. Ihr Selbstwertgefühl ist nicht sehr hoch und sie kompensiert diesen Mangel mit einem kurzen Glücksgefühl, wenn sie eine neue Tüte mit Kleidung in ihren Händen trägt. Sie versteckt die neuen Sachen vor ihrem Mann. So lange, bis sie ihm ohne zu lügen sagen kann, dass ihre angeblich neuen Sachen doch schon etwas älter sind.

Die Frage nach Ehrlichkeit stellt sich in einer Beziehung oft erst, wenn einer oder beide Partner sich unehrlich verhalten. Wird die Beziehung die Wahrheit aushalten? Oder kann sie scheitern an Lüge und Verschwiegenheit? Wie Menschen diese Frage für sich beantworten, ist entscheidend dafür, wie offen sie gegenüber der Partnerin oder dem Partner sind.

Verletzende Wahrheiten besser verschweigen?

Was, wenn man genau weiß, dass die eigene Ehrlichkeit verletzend sein wird? Gerade bei Paul würde seine Ehrlichkeit sehr viel Schmerz auslösen. Es ist jedoch illusorisch, zu denken, Verletzungen in der Partnerschaft ließen sich vermeiden. „Dinge nicht anzusprechen kann genauso verletzend sein wie sie auszusprechen“, sagt Veronika Schmidt, klinische Sexologin und systemische Beraterin. Letztlich traue man dann dem anderen und der Beziehung Herausforderungen nicht zu. Durch Frustrationen und Belastungen würden wir stärker, die Beziehung brauche sie. Könne eine Beziehung das nicht aushalten, könne sie letztlich vielleicht auch langfristig nicht bestehen. „Wenn man ehrlich ist, so sollte man sich bewusst sein, dass der eigenen Ehrlichkeit ein schmerzhafter Weg folgt, den man mitzugehen bereit sein sollte. Ist man das nicht, könnte Schweigen vielleicht sogar angebrachter sein“, ergänzt die Beraterin.

Diesem Ansatz widerspricht Dr. Tatiana Gorbacheva, Professorin für Psychologie an der LEE University in Cleveland, Tennessee. Sie plädiert für ehrliche Beziehungen, weil es darin keine Zweideutigkeiten und dadurch hervortretenden Stress gibt. Sie ist der Meinung, dass das Eingestehen eines Fehlverhaltens, die Reue und die Konfrontation mit den Folgen der Verletzung des Anderen helfen kann, einander näherzukommen. „Im Allgemeinen sind Geheimnisse schädlich für Beziehungen und Menschen“, betont Dr. Tatiana Gorbacheva. Sie entzweiten Ehepartner und führten zu einer ungesunden Dynamik, weil einer etwas vor dem anderen verbergen müsse. Geheimnisse seien oft mit Scham verbunden. „Und: Man sagt auch ‚Du bist so krank, wie deine Geheimnisse‘.“

Paare sollten unveränderliche Fehler nicht ansprechen

Clara hat eine Schwäche fürs Shoppen. An ihrer Schwäche kann sie arbeiten. Oftmals aber ist es ähnlich wie bei Übergewicht, Rauchen, Zuckersucht, Bequemlichkeit, mangelndem Selbstvertrauen oder Unpünktlichkeit: Es sind Gewohnheiten, die sich in der eigenen Persönlichkeit manifestiert haben und die sich aus eigener Kraft kaum überwinden und verändern lassen.

Manche Makel lassen sich außerdem gar nicht ändern. Dazu können gehören: schlechter Orientierungssinn, Nervosität vor fremden Menschen, körperliche Schönheitsfehler und noch vieles mehr. Solch einen Makel dem Partner vorzuhalten, ist nicht nützlich, meint der Psychotherapeut Jörg Berger. Besser sei es, einen Weg zu finden, um den Partner anzunehmen. „Auch dass man darum ringt, muss der Partner nicht unbedingt erfahren. Denn wenn es sich bei seinem Makel um einen wunden Punkt handelt, könnte dies die Sicherheit in der Beziehung und das Gefühl des Geliebtseins erschüttern.“

Zwanghafte Ehrlichkeit

Wenn sich ein Paar dazu entscheidet, miteinander ehrlich alles zu teilen, müssen sie sich bewusst machen, dass das Leben zu kurz und zeitlich begrenzt ist, um tatsächlich alles miteinander teilen zu wollen. Auch gibt es eine Form der sogenannten „tyrannischen Intimität“, die beinah zwanghaft vom Gegenüber fordert, jeden Gedanken offenzulegen. „Man will ständig in den Kopf, die Gedanken und Gefühle des anderen eindringen. Das hat letztlich nichts mit Ehrlichkeit zu tun, sondern mit Kontrolle“, sagt Veronika Schmidt. Aus dieser Kontrolle resultiert oft, dass der oder die Andere noch eher versuchen wird, Dinge zu verheimlichen, weil die Person sich nicht vollständig ausliefern will.

Der Psychotherapeut Jörg Berger plädiert ebenfalls dafür, Respekt vor dem Geheimnis des Partners oder der Partnerin zu haben und nicht zu sehr in diese Intimsphäre einzudringen. „Es ist ein Geschenk, wenn Partner sich einander öffnen, sich in ihren tiefen Gedanken und Gefühlen mitteilen können. Doch Menschen tragen ihre schwersten Kämpfe in einer existenziellen Einsamkeit aus, an Orten, zu denen kein anderer Zutritt findet“, schreibt er in einem Artikel für die Zeitschrift Family: „Wenn man nach diesen Kämpfen in ein freundliches Zuhause tritt und eine Umarmung spürt, dann ist das Glück.“

Paare sollten sich grundsätzliche Fragen stellen

Die grundsätzliche Frage, die sich ein Paar laut Veronika Schmidt gemeinsam stellen sollte, ist: Wie ehrlich wollen wir sein? Ist das etwas, was wir gemeinsam als Wert festlegen wollen? Oder: Warum können wir voreinander nicht ehrlich sein? Und: Habe ich mich genug selbst reflektiert, um überhaupt ehrlich sein zu können? Die Antworten auf diese Fragen können Paare auf eine zukunftsorientierte und tragende Diskussionsebene bringen.

Von Priska Lachmann

„Das schaffst du doch mit links!“ – Expertin gibt Tipps für linkshändige Kinder

Psychotherapeutin Dr. Johanna Barbara Sattler leitet die erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder. Sie erklärt Dos und Don’ts für Eltern, wenn ihr Kind mit der linken Hand malt, isst und bastelt.

Ab welchem Alter können Eltern erkennen, ob ihr Kind Rechts- oder Linkshänder ist?
Bei manchen Kindern sieht man es schon sehr früh. Bei den meisten klärt es sich bis zum Alter von drei bis vier Jahren. Wenn es bei einem Vierjährigen noch nicht klar ist, sollte man mit dem Kinderarzt sprechen, was die Gründe dafür sein könnten. Bei diesen Kindern gibt es manchmal auch motorische Probleme oder Auffälligkeiten. Dann ist es sinnvoll, therapeutisch einzugreifen.

Der Besteck-Trick zeigt dominante Hand

Manche Eltern, deren Kind häufig die linke Hand benutzt, hoffen, „dass sich das noch gibt“. Ist diese Hoffnung berechtigt?
Bei Linkshändern ist die gegenüberliegende, also die rechte Gehirnhälfte motorisch dominant, sie gibt die stärkeren Signale. Eltern sollten nicht versuchen, das Kind zur Benutzung der rechten Hand anzuregen oder es gar umzuschulen. Denn wenn ein Kind in die falsche Händigkeit kommt, kann das negative Auswirkungen haben wie Konzentrationsstörungen oder Lernschwierigkeiten. Deshalb sollten Eltern nicht versuchen, das Kind zu beeinflussen. Wenn die Händigkeit unklar ist, sollten sie zum Beispiel das Besteck mittig in den Teller legen und dem Kind die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, welche Hand es nimmt.

Und wenn Eltern sicher sind, dass das Kind ein Linkshänder ist?
Dann sollten sie das Glas oder Besteck auf die linke Seite legen oder stellen. Damit verhindern sie, dass das Glas umfällt oder dass der Ärmel immer durch die Suppe geht. Außerdem sollten sie rechtzeitig auf eine lockere Mal- und Schreibhaltung bei ihrem Kind achten. So helfen sie dem Kind, dass es später nicht über das gerade Geschriebene wischt und dass es den Text gut lesen kann und nicht mit der Hand verdeckt. Dazu gibt es für linkshändige Kinder auch vorbereitende Kindergruppen, die seit der Coronapandemie auch online angeboten werden.

Kindergarten informieren

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Linkshänder und Linksfüßer?
Was wir mit den Händen und was wir mit den Füßen tun, ist grundlegend unterschiedlich. Füße brauchen Gleichgewicht. Um mit einem Bein zu schießen, muss man auf dem anderen Bein gut stehen können. Deshalb kommt es oft vor, dass ein Kind, das eigentlich linkshändig ist, mit dem rechten Fuß schießt – und umgekehrt.

Sollten Eltern die ErzieherInnen im Kindergarten auf die Linkshändigkeit hinweisen?
Ich würde nachfragen, wie sie mit Linkshändern umgehen und ob sie Linkshänder-Scheren haben. Es ist auch wichtig, dass das Kind beim Essen und Basteln nicht rechts von einem Rechtshänder sitzt, sonst kommen sich die beiden in die Quere.

Interview: Bettina Wendland

Ihr Sohn bricht das Studium ab und wird Koch – das lehrte Barbara-Christine diese Phase

Nicht jeder muss studieren. Barbara-Christine Schild hat das bei ihrem Sohn selbst erlebt. Und warnt davor, dass Eltern beim Berufswunsch mitbestimmen.

Mit der Entscheidung für einen zukünftigen Beruf stellen viele Jugendliche erstmals im Leben eigenverantwortlich die Weichen für ihre Zukunft. Das ist sowohl Chance als auch Risiko und für viele eine immense Herausforderung. Sie müssen sich mit sich selbst auseinandersetzen, ihre Talente und Interessen erkennen und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit des anvisierten Berufes abwägen. Darüber hinaus ist der Weg zum Ziel nicht immer gleich erkennbar. An dieser Stelle brauchen die Jugendlichen Unterstützung. Uns als Eltern kommt dabei eine besondere Rolle zu, auf die wir uns bewusst vorbereiten und in die wir nicht einfach hineinrutschen sollten.

Denn nicht nur in den Gesprächen, die wir mit unseren Kindern zu deren beruflicher Zukunft führen, auch ganz nebenbei im Alltag formulieren wir Vorstellungen, die wir für unsere Kinder haben. Damit machen wir Vorgaben, die oft für den Nachwuchs zur Orientierung oder gar Leitlinie werden – nicht zuletzt im Vertrauen darauf, dass die Eltern mit ihrer Lebenserfahrung schon wissen, was für die Kinder gut sein könnte.

Nicht ganz unvoreingenommen

Aufgrund meiner beruflichen Tätigkeit im Bundesinstitut für Berufsbildung könnte man vielleicht vermuten, dass ich die ideale Begleiterin in Sachen Berufswahl der eigenen Kinder sein könnte. Ich denke, dass das für mich persönlich nicht gilt – sonst wären die Dinge bei uns anders gelaufen. Auch in unserer Familie wurden die Gespräche über die berufliche Zukunft offenbar nicht ganz ergebnisoffen geführt: Tatsächlich hatte sich bei unserem Sohn die Vorstellung manifestiert, dass wir von ihm erwarten, nach dem Abitur ein Studium zu absolvieren. Dies hat uns doch sehr überrascht, denn eigentlich hatten wir gedacht, den Zukunftsvorstellungen unserer Kinder unvoreingenommen begegnet zu sein. Erst die persönliche Erfahrung hat meinen Blick dafür geschärft, wie man die Kinder begleiten sollte, wenn sie wichtige Entscheidungen für die berufliche Zukunft treffen müssen – und dass wir immer wieder unsere eigene Neutralität hinterfragen sollten.

Die befreiende Frage

Unser heute 27-jähriger Sohn hat das Gymnasium besucht, in der Oberstufe die Leistungskurse Sport und Mathe belegt und nach dem Motto „Ein kluges Pferd springt nicht höher, als es muss“ ein eher mittelprächtiges Abitur abgelegt. Anschließend hat er die Entscheidung zur eigenen Zukunft zunächst einmal vertagt und für sich eine „Findungsphase“ eingefordert. Die haben wir ihm unter der Auflage gewährt, dass er sich einen Job sucht und eine fixe Aufgabe im Haushalt übernimmt. Gesagt, getan: Den Job fand er schnell in einem Restaurant, zu Hause übernahm er das Kochen für die Familie.

Wir merkten schnell, wie begeistert er von diesen Aufgaben war. Dennoch hatte sich bei ihm der Gedanke, „dass man nach dem Abitur halt studiert“ und dass dies ja auch mit den elterlichen Vorstellungen einhergeht, offenbar schon sehr gefestigt. Deshalb begann er nach diesem Jahr mit einem Studium. Begeisterung dafür war jedoch keine zu spüren, er berichtete kaum über seinen Unialltag. Stattdessen drehten sich die Gespräche mit ihm immer wieder um das Kochen und wie welche traditionellen Gerichte zu modernisieren wären. Irgendwann haben wir dann die „befreiende“ Frage gestellt, was er denn nun wirklich möchte: studieren oder eine Ausbildung zum Koch machen?

Plötzlich ist der Berufswunsch klar

Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Den Plan, Koch zu werden, hatte unser Sohn schon vollends ausgeklügelt, das erforderliche Vorgehen bereits klar durchdacht. Er wusste, dass er die französische Küche von der Pike auf lernen wollte, und hatte sich bereits ein Restaurant mit bestem Ruf ausgesucht. Die zentrale Begründung war, dass dort der Koch nicht im Fernsehen, sondern in der Küche zugegen sein und ihn einweisen würde. Wir haben ihm zugestimmt, es zu versuchen. Von da an ging alles schnell. Die Bewerbung war nach drei Tagen auf den Weg gebracht, weitere drei Tage später kam die Einladung des Restaurants. Für eine Woche wollten sie ihm die Möglichkeit geben, die Anforderungen des Hauses kennenzulernen.

Er war so beseelt von seinem Tun dort, dass völlig klar war: Hier hat jemand seine Profession gefunden. Eine Woche nach dem Praktikum lag der unterschriebene Ausbildungsvertrag in unserem Briefkasten. Die Ausbildung war wirklich hart, menschlich wie fachlich. Aber nicht einen Tag hat unser Sohn diese Entscheidung in Zweifel gezogen. Inzwischen leitet er die Küche eines Düsseldorfer Restaurants und sagt: „Das Kochen ist für mich das Bedienen eines Grundbedürfnisses. Und ich darf das jeden Tag tun – wow!“ Jetzt sind wir froh, dass wir alle zusammen rechtzeitig die Kurve bekommen haben. Für uns als Eltern bleibt die Erkenntnis, mehr auf unsere Kinder zu vertrauen. Sie wissen schon ganz gut, wie sie sich auf den Weg in die eigene Zukunft machen müssen. Das Ziel sollten die Jugendlichen selbst wählen – auf dem Weg dorthin können und müssen wir sie unterstützen.

Eltern sollten nur begleiten, nicht leiten

Die unvoreingenommene Beratung ist für Eltern nicht ganz einfach, denn sie „wollen ja immer das Beste“ für ihre Kinder – und glauben gern, das auch beurteilen zu können, denn sie haben ihre Kinder auf ihrem bisherigen Weg stets „gelenkt“. Aber in diesem Fall verändert sich unsere Rolle vom Leitenden zum Begleitenden. Sich dessen bewusst zu sein, dass für uns eine neutrale Beratung der eigenen Kinder bei der Berufswahl nicht ganz einfach ist, kann ein erster Schritt hin zu einer ergebnisoffenen Begleitung sein. Die fehlende Objektivität gegenüber den Kindern ehrlich zu formulieren, kann sie motivieren, die elterlichen Vorstellungen tatsächlich mit Blick auf die Vereinbarkeit mit den eigenen Ideen zu hinterfragen. Es muss für Kinder deutlich werden, dass die kritische Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Eltern legitim ist – was im Übrigen nicht nur bei der Berufswahl gilt.

Wenn die Berufsorientierung zum Thema wird, gilt die Devise: erst einmal zuhören und die Kinder reden lassen. Darüber hinaus sollten wir als Eltern uns bewusst machen, dass es heute nicht nur eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, sondern auch, dass sich Berufsbilder sehr stark gewandelt haben. So kann es sein, dass meine Vorstellungen von Berufen und deren Tätigkeiten sowie Anforderungen nicht mehr aktuell sind. Es hilft auch, sich als Eltern über den heutigen Stand in den jeweiligen Berufen erst einmal zu informieren.

Traumberuf: ja oder nein?

Ich sollte mein Kind nicht von seinem Berufswunsch abbringen, selbst wenn dieser nicht dem entspricht, was ich mir erhoffe: Wenngleich es Zeit kostet und vielleicht auch mit Enttäuschungen verbunden ist, sollten Kinder sich mit ihren Ideen versuchen dürfen. Allein schon, damit keine „offenen Fragen“ im Leben bleiben – getreu dem Motto: „Hätte ich doch …“. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Jugendliche, die zunächst einen ähnlichen Weg wie die Eltern einschlagen möchten. Sich ein Stück weit auf „vertrauten Pfaden“ zu bewegen, etwas zu tun, was man schon zu kennen glaubt, erscheint zunächst vielleicht als der Weg des geringsten Widerstands.

Dabei sollten wir Eltern aber schon erkennen, ob bei unseren Kindern ein echtes Interesse vorliegt. Falls ja, ist es aus meiner Sicht sinnvoll, dass sie die Ausbildung in einem fremden Betrieb der gleichen Branche machen und nicht im elterlichen Unternehmen. Oder man zeigt den Kindern ähnliche Optionen auf. So nennen viele Kfz-Mechatroniker/in als Berufswunsch, aber vielleicht wäre auch eine Ausbildung als Zweiradmechaniker/in oder Land- und Baumaschinenmechatroniker/in spannend. Das erweitert zudem die Perspektive.

Einfach in Berufe reinschnuppern

Eltern sollten die vielfältigen Informationsmöglichkeiten nutzen, zum Beispiel digitale Angebote (siehe unten) oder Elternabende zur Berufsorientierung in der Schule. Vorteil des heutigen Schulsystems sind die vielfältigen Angebote zur Berufsorientierung: zum Beispiel Potenzialanalysen, Berufsfelderkundungen oder Praktika. Als Eltern können wir unsere Kinder motivieren, sich auszuprobieren und in Berufe hineinzuschnuppern, die sie nicht auf dem Schirm hatten. Sie sind ja auch einen Schritt weiter, wenn sie wissen, was auf keinen Fall in Frage kommt. Vielleicht werden sie aber auch positiv überrascht. Es hilft, praktische Erfahrungen zu sammeln.

Generell sollten wir als Eltern unsere Kinder stärken, sich etwas zuzutrauen und Rückschläge nicht als totales Versagen zu interpretieren. Die wichtigste Botschaft an die Jugendlichen ist: Welchen Beruf auch immer ihr auswählt, entscheidend ist, dass ihr es so gut macht, wie ihr könnt!

Barbara-Christine Schild ist Diplom-Geografin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Hilfreiche Online-Portale

berufenavi.de: Das neue Berufsorientierungsportal für Jugendliche des Bundesministeriums für Forschung (BMBF) und des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) will Jugendliche bei der Suche nach ihrem Wunschberuf unterstützen. Neben einer Selbsteinschätzung bietet es Orientierungshilfen, Talenttests, Praktikumsbörsen und Beratungsangebote sowie Links zu weiteren Online-Angeboten.

berufsberatung.ch: Das offizielle schweizerische Informationsportal bietet eine Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung und beantwortet Fragen rund um Lehrstellen, Berufe, Aus- und Weiterbildungen.

jugendportal.at/themen/arbeit-beruf/ berufsorientierung: Hier gibt es zahlreiche Links zu Websites und Beratungsangeboten in Österreich.

Aufklärung: So können Eltern mit Kleinkindern über Sex reden

Was tun, wenn das Kind sich an Penis oder Vagina fasst? Wie darüber sprechen, wo Babys herkommen? Sexualberaterin Ute Buth zur Aufklärung.

Warum ist die Phase, in der Kinder sich mit dem Thema Sexualität und ihren eigenen Geschlechtsorganen auseinandersetzen, so wichtig?
Wenn Kinder heranwachsen, entdecken sie Geschlechtsorgane wie alles andere, was sie entdecken. So gesehen ist es also eigentlich gar keine besondere Phase, die Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt erlebt haben müssen. Das ist höchst individuell. Die Kinder entdecken auch, dass sie selbst Geschlechtsorgane haben und manche, dass sie schöne Gefühle machen. Wichtig ist, dass die Kinder lernen, dass diese Organe zu ihrem Körper gehören, sie zu benennen, ihren Körper zu schützen und die Körpergrenzen anderer zu respektieren. Dieses Grundwissen spielt nicht zuletzt in Zeiten von #metoo eine wichtige Rolle.

Dass Kinder ihr Geschlecht entdecken, ist normal

Wenn ich mitbekomme, dass sich mein Kind an den Kitzler oder den Penis fasst, wie soll ich dann reagieren?
Wenn Kinder entdecken, dass sie Geschlechtsorgane haben und sich dort berühren, bedeutet das noch nicht, dass sie sich daran betätigen und sich selbst befriedigen. Manchmal juckt etwas oder sie ziehen nur die Kleidung gerade. Wenn sie die Organe entdecken, dann ja erst einmal, dass es da etwas wie die Genitallippen, den Kitzler oder den Penis oder Hoden gibt. Bei Jungen sind die Harnwege und die Geschlechtswege gleich. Ein Junge kommt also gar nicht umhin, sich mit seinem Penis zu beschäftigen. Er wird ja täglich zum Wasserlassen berührt, ist vorgelagerter und gut greifbar und so probieren sie auch aus, was sie damit machen können.

Bei Mädchen sind die Harn- und Geschlechtswege getrennt. Der Kitzler liegt verborgener unter den Genitallippen. Sie entdecken sexuelle Gefühle deshalb nicht so selbstverständlich wie Jungen. Manche entdecken sie beim Duschen, beim Trockenrubbeln danach oder wenn sie auf einer Sofakante sitzen. Wenn Kinder ihre Organe entdecken, anfassen, fühlen oder daran reiben, ist das also an sich normal. Wenn Sie das als Eltern mitbekommen, ist es ratsam, sich nicht aus Scham wegzudrehen, es pauschal zu verbieten oder einen abwertenden Kommentar abzugeben. Denn damit beschämen Sie Ihr Kind für etwas, was selbstverständlich zu seinem Sein dazu gehört. Dass unsere Geschlechtsorgane fühlen können, gehört zur Grundausstattung von uns Menschen und zum Menschsein.

Reagieren, wenn Kinder Sex nachspielen

Wenn man sich nicht wegdrehen, es nicht pauschal verbieten oder abfällige Kommentare dazu machen soll, wie soll man denn dann reagieren?
Dafür gibt es kein Patentrezept. Wichtig ist, das Kind nicht zu beschämen. Man kann schon zum Beispiel fragen, was es da macht und wie es dem Kind damit geht. Oder man kann in der Situation oder danach ins Gespräch darüber kommen, dass es einen intimen Privatbereich gibt und wie man den schützt. Erstmal ist es doch so: Die Kinder stellen fest: Was ich da tue, macht mir schöne Gefühle. Sie denken sich nichts Böses dabei. Manchmal erzählen sie auch begeistert davon und wollen ihr neu gewonnenes Wissen mit den Eltern teilen, im Sinne von ‚ich gebe einen guten Tipp weiter‘.

Gibt es auch Situationen, auf die man reagieren sollte, und wie?
Wenn ein Kind explizit irgendwelche sexuellen Handlungen nachspielt und das immer wieder, dann könnte man sich fragen, wo es das womöglich gesehen hat. Ist es vielleicht mit Pornografie in Kontakt gekommen? Wenn ein Kind sich selbst befriedigt, würde ich schauen, wie oft es das macht, ob es dieses Verhalten sehr in Beschlag nimmt und sich irgendwelche Muster abzeichnen: Wenn es sich immer dann, wenn es traurig oder gestresst ist, so verhält, dann kann es sein, dass Selbstbefriedigung zum Tröster oder Entspannungstool wird. Falls Sie als Eltern unsicher sind, können Sie auch ihren Kinderarzt um Rat bitten.

Wenn die Selbstbefriedigung eine Funktion erfüllt und Sie sie einfach unterbinden würden, machen es die meisten Kinder heimlich weiter – dann aber belastet mit einem schlechten Gewissen. Suchen Sie mit dem Kind gemeinsam nach Alternativen, indem Sie überlegen, was es beruhigt, was sonst noch guttut. Wenn es sich in der Öffentlichkeit, wo andere es sehen und sich darüber lustig machen können, an seine Geschlechtsorgane fasst oder sogar befriedigt, sollte es lernen, seinen Privatbereich in Sachen Intimität zu schützen.

Kinder lernen spätestens ab der Schule, woher Babys kommen

Welche Rolle spielen Eltern bei der Aufklärung der Kinder?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Sexualität eine große Rolle spielt. Eltern sollten sich bewusst machen, dass sie keine Aufklärungshoheit haben und dass sie auch nonverbal aufklären. Das permanente Schweigen zum Thema Sex sendet auch die Botschaft, darüber spricht man nicht! Wenn ein Kind bis zum Schuleintritt nicht weiß, woher die Babys kommen und was Sex ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es das in der Schule lernt, riesengroß – und damit meine ich nicht in erster Linie den Aufklärungsunterricht! Bis dahin haben sie in aller Regel schon etliches auf dem Schulhof, von anderen Kindern oder in den Medien erfahren.

Medienwissenschaftler weisen darauf hin, dass die ersten Informationen, die man auf einem Wissensgebiet erhält, einen viel stärker prägen als Folgeinformationen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Eltern möglichst vor dem Schuleintritt eine gute Grundlage für die Aufklärung ihrer Kinder legen. Ich ermutige Eltern, Aufklärung als Aufgabe und Chance zu begreifen und sich auch mit der eigenen Lerngeschichte auseinanderzusetzen. Wenn sie schambestimmt reagieren, weil ihr Kind sich mit seinen Geschlechtsorganen beschäftigt, hat das häufig mit Hilflosigkeit aber auch mit der eigenen Prägung zu tun. Wenn ich gelernt habe, dass man so etwas nicht tut, was ich aber nun mein eigenes Kind tun sehe, dann gerate ich womöglich schon dadurch in einen inneren Konflikt, bei dem eine Klärung hilfreich sein kann.

Kind kein Aufklärungsgespräch aufzwingen

Und wenn sich mein Kind gar nicht für das Thema interessiert?
Dass ein Kind nicht danach fragt, bedeutet nicht, dass es keine Fragen in seinem Kopf hat. Es kann durchaus sein, dass es Fragen hat, vielleicht sogar auch schon Kontakt mit dem Thema hatte und es so schräg findet, dass es meint, mit den Eltern nicht darüber sprechen zu können oder Sorge hat, Ärger oder peinliche Rückfragen zu bekommen, wenn es Fragen stellt. Wichtig ist, sich möglichst früh sprachfähig auch zu sexuellen Themen zu positionieren. Dann lernt Ihr Kind, dass es normal ist, dass die Eltern dazu ansprechbar sind.

Überfordern Sie Ihr Kind nicht und zwingen Sie ihm kein peinliches Aufklärungsgespräch auf. Es geht ja auch nicht darum, den ganzen Tag über Sex zu reden, aber eben auch darüber zu reden. Manchen Kindern hilft es, über die eigene Zeit als Baby ins Gespräch über das Thema zu kommen. Die Eltern können auch von der Schwangerschaft erzählen und so nach und nach Informationen vermitteln.

Aufklärung nach dem Baukastenprinzip

Wie klärt man Kinder am besten auf?
Aufklärung ist kein Termin im Kalender, den man abhakt und dann ist es erledigt. Aufklärung ist ein Lebensstil. Es geht im Prinzip darum, dass ich wie beim Baukastenprinzip immer wieder an vorhandenes Wissen weitere Informationen anbaue und dafür vor allem zu Beginn Begriffe aus der Alltagswelt des Kindes benutze.

Haben Sie dafür Beispiele?
Ich habe meinen Kindern immer erzählt, dass Mütter im Bauch das Zimmer „Gebärmutter“ haben und darin die Babys wohnen. Vom Zimmer Gebärmutter führt der Gang „Scheide“ nach draußen. Aus dem kommen die Babys dann heraus. Auf dem Weg zum Schwimmkurs knöpfte ich einmal daran an und erklärte, dass das Zimmer Gebärmutter auch ein Schwimmbad ist, dass da Wasser drin ist und es den Babys Bewegung ermöglicht und wie sich die Gebärmutter durch das Wasser dehnt. Ein anderes Mal sagte eine ältere Dame zu meiner 3-jährigen Tochter: „Du hast die Augen und die Haare von deiner Mama.“ Ich erklärte ihr daraufhin, dass wenn ein Baby entsteht, es die Hälfte von Mama und die andere Hälfte von Papa bekommt. Damit hatte ich Zeugung erklärt, aber auf einem ganz niedrigen Level – nichts von Samen, Eizellen, Penis, Scheide und Sex.

Daran kann man dann anbauen und darüber sprechen, dass Frauen im Bauch kleine Eier haben. Eier können sich die Kinder gut vorstellen und Samen kennen sie auch – zum Beispiel aus dem Frühjahr, wenn sie Samen aussäen, damit daraus etwas wächst. Nur dass man Papas Samen nicht in den Boden stecken und gießen kann, damit ein Baby daraus wächst, sondern dass sie die winzigen Eier von der Mama treffen müssen. So gibt man immer weitere kleine Informationen dazu, damit die Kinder nach und nach ihr Wissen auf eine breitere Basis stellen können.

Die Fragen stellte Ruth Korte.

Mit diesen Pausenbrötchen wird die große Pause zum Fest!

Sie wollen Ihrem Kind etwas Leckeres mit in die Schule geben? Dann sollten Sie diese Brötchen ausprobieren.

Zutaten (ca. 12-18 Stück):

  • 460 g Dinkelmehl Type 812
  • 1 Prise Salz
  • 200 ml Milch oder Buttermilch
  • 80 g brauner Zucker
  • 1/2 Würfel frische Hefe (20 g)
  • 80 g weiche Butter
  • 1 Ei (Größe M)
  • 100 g Rosinen oder getrocknete Cranberrys
  • zum Bestreichen: 1 Ei
  • zum Bestreuen: nach Belieben etwas Hagelzucker und/oder Mandelblättchen

Und so geht es:

Die Rosinen oder Cranberrys in eine kleine Schüssel geben und mit Wasser bedecken. Für den Hefeteig die Milch oder Buttermilch ganz leicht erwärmen (nur lauwarm!), die Hefe und eine Prise vom Zucker darin auflösen und 10 Minuten stehen lassen. Das Mehl in eine Rührschüssel geben, Vorteig, Salz, restlichen Zucker, weiche Butter und Ei hinzufügen und mit dem Knethaken der Küchenmaschine oder von Hand fünf Minuten gut durchkneten. Nun die Rosinen/Cranberrys abgießen und ohne die Flüssigkeit zum Teig geben, nochmal 1-2 Minuten kneten. Den Teig abgedeckt gehen lassen, bis er sich sichtbar vergrößert hat (ca. 60-90 Minuten).

Den Teig auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben, kurz durchkneten und in beliebig große Stücke teilen (bei mir waren es 16 Stück). Kugeln formen, auf mit Backpapier belegte Bleche geben und abgedeckt für weitere 20 Minuten gehen lassen. Das Ei verquirlen und die Teigkugeln damit bestreichen. Nach Belieben noch mit Hagelzucker/Mandelblättchen bestreuen. Im heißen Ofen bei 190° C Ober-/Unterhitze ca. 15-20 Minuten backen – die Backzeit variiert natürlich je nach Größe der Teigstücke. Am besten immer wieder kontrollieren und herausnehmen, wenn sie die gewünschte Bräune erreicht haben.

Tipps:

  • Wer kein Dinkelmehl Type 812 bekommt, kann auch Weizenmehl Type 405 oder 550 nehmen.
  • Die Rosinen/Cranberrys lassen sich komplett oder zur Hälfte durch Schokotropfen ersetzen.
  • Natürlich sind die Brötchen auch super zum Frühstück!

Miriam Müller betreibt den Foodblog leckerleckerliese.de.

„Führten sogar seine Beerdigung gemeinsam auf“: Das erlebt ein Klinikclown

Peter Spiel ist Klinikclown. Er begleitet Kinder und Senioren beim Heilen – und Abschiednehmen. Ein Besuch im Münchner Kinderspital.

Rote Nase, geschminkte Bäckchen, etwas Kajal um die Augen und eine Mütze auf dem Kopf – das ist das Arbeitsstyling von Klinikclown Peter Spiel. Er winkt in den Bildschirm des Laptops und ruft seinem Gegenüber Grüße zu, dann stellt er die Kamera aus. Die positive Energie schwebt auch nach der Clownsvisite durch den Büroraum. Normalerweise geht er mit seiner Kollegin Barbara Draeger auf Kinderstationen und besucht seine Patienten an den Betten. In Pandemiezeiten ist nichts mehr normal und so müssen auch die Clowns ihre Visite virtuell absolvieren.

„Virtuelle Besuche machen vieles möglich“, sagt Peter Spiel. „Wenn wir ein Kind besuchen, schalten sich Geschwister dazu oder die Eltern sind per Smartphone dabei. Wir mussten uns neue Tricks überlegen, um die Kinder zu überraschen. Zum Beispiel bitten wir die Eltern, eine Clownsnase im Schubkasten oder unter dem Kopfkissen ihres Kindes zu verstecken. Dann kündige ich einen großen Zauber an und werfe die Clownsnase über meinen Bildschirm. Die Überraschung ist groß, wenn das Kind die Nase findet. Für uns ist es auch immer aufregend, ob Neues gelingt. Einmal reagierte ein Kind nur mit ‚Na endlich, da ist ja meine Nase‘. Für kleine Kinder ist es selbstverständlich, dass wir zaubern können.“

Die Mission: Ein schöner Moment

Professor Dr. Roger Paletti alias Peter Spiel und Rhabarber Rosella alias Barbara Draeger besuchen nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche und Erwachsene auf Palliativstationen. Sie gehen in Behinderteneinrichtungen und Seniorenheime. Als Paar können sie besser interagieren und sich auf die Bedürfnisse ihres Publikums einstellen. Ihr Auftrag: einen schönen Moment verschenken!

Peter Spiel ist Schauspieler, Regisseur und Clown. Er sucht nicht die große Bühne, sondern die Begegnungen mit den Menschen. Für seine Arbeit in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hat er eine spezielle Ausbildung absolviert. „Als Clowns können wir nichts an der Situation verändern, aber wir können das Jetzt gestalten. In meiner Arbeit zählt immer der Moment.“

Auch rausgeschmissen werden gehört dazu

Der Moment zählt, selbst wenn dieser traurig, frustrierend oder enttäuschend ist. Peter Spiel fragt sich, was ein Mensch genau in dieser Situation braucht. Dabei kann er keine Liste abarbeiten. „Es gibt Jugendliche, die mich nicht sehen wollen, weil sie alles zum Kotzen finden. Sie liegen im Bett, haben Schmerzen, sehen ihre Freunde nicht und müssen ständig tun, was man ihnen sagt, aber mich können sie rausschmeißen.“ Peter lacht, und er meint es ernst. Als Clown gibt er ihnen ihre Selbstbestimmung zurück. Roger Paletti kann weggeschickt oder ermahnt werden, kann angemotzt oder belehrt werden. Der Clown versteht und urteilt nicht, und häufig ergibt sich dann doch ein Miteinander, weil sich die Anspannung gelegt hat.

Vor (und hoffentlich auch nach) der Pandemie öffnen die Clowns das Krankenzimmer und lassen den Raum auf sich wirken: Wie ist die Stimmung? Wer ist da? Was passiert gerade? Übrigens ist das eine Empfehlung an uns alle: nicht gleich loslegen und sprechen, sondern erst einmal den Raum und den Moment wahrnehmen. Dann ergibt sich die Rolle, die Roger Paletti einnimmt, von allein. Peter erzählt von einem Kind, dessen Unterschenkel amputiert werden musste. Damit die zukünftige Prothese passt, wurde die Ferse an das Knie fixiert. „Ja mei, was haben die Doktoren für einen Schmarrn gemacht. Sie haben deinen Fuß falsch angenäht“, rief Roger Paletti. Das Kind war stolz, dass es dem Clown erklären konnte, wieso das gemacht wurde, und dass es bald wieder laufen kann. Kinder lieben es, wenn sie mehr wissen als der Clown. Wenn Roger Paletti in den Kleiderschrank geht, weil er denkt, das sei die Tür, ist die Freude groß.

Eine Wohltat für die Eltern

Die Clownsvisiten sind für die ganze Familie eine Wohltat. Manche Eltern gehen dann Kaffee trinken und haben endlich Zeit für sich. Andere bleiben und freuen sich am Lachen ihrer Kinder. Häufig sind auch Geschwisterkinder dabei. „Gerade sie müssen viel zurückstecken, denn alles dreht sich um das kranke Kind. Wenn die Hygieneregeln es erlauben, folgen sie uns in mehrere Zimmer.“ Lachen ist gesund, sagt der Volksmund, inzwischen bestätigen es auch Studien. Wer lacht, atmet tiefer, spürt sich besser und nimmt Schmerzen weniger intensiv wahr. Ängste und Sorgen verlieren etwas von ihrer Kraft. Humor hilft heilen und Clowns spüren ihn auf. So wie bei Claudia. Die Zwölfjährige war allein in ihrem Zimmer und wirkte abweisend. „Zuerst schaute ich mich einfach um“, erzählt Peter. „Auf ihrem Schlafanzug waren rote Punkte. Ich begann, weitere Punkte an ihr und im Zimmer zu suchen, bis ich eine rote Clownsnase fand. Über diese roten Punkte kamen wir ins Spiel und Claudia begann zu reden.“

Clowns haben Zeit

Die Welt des Clowns ist schön, faszinierend und bunt. Er betrachtet die Welt in seiner Naivität und kann über alles staunen. Ein Kleidungsstück, ein Foto, ein Schokoriegel oder eben rote Punkte geben dem Clown Einstiegsmöglichkeiten. Immer ist der Mensch der Gradmesser, ob etwas lustig ist oder nicht.

In der Arbeit mit Seniorinnen und Senioren steht die Kommunikation im Vordergrund. „In unserer Anfangszeit hatte man Sorge, dass wir uns über die Bewohner lustig machen. Doch darum geht es nie! Der Clown lacht mit und nicht über jemanden.“ Schabernack und Slapstick funktionieren an diesen Orten nicht. „Wenn ich gegen die Wand laufe, machen sich die Seniorinnen eher Sorgen um mich, ob ich mich verletzt habe. Wir reden und singen Lieder. Die Menschen entspannen sich, fühlen sich weniger einsam. Das Personal sagt, dass der Umgang mit den Bewohnern leichter ist, wenn wir da waren. Wir haben etwas, das andere leider nicht haben: Zeit.“

Spielerische Beerdigung

Die Clowns zelebrieren die Langeweile. Sie haben eine lange Weile Zeit, um den Menschen zu begegnen und zu spüren, was sie bewegt. Dabei sind die Clowns ehrlich. Sie kennen ihre Grenzen, sie versprechen nichts, was sie nicht halten können. Sie werden nichts verheimlichen und nichts beschönigen. „Wir wissen, dass manche Kinder todkrank sind. Wir können ihnen nicht sagen, dass alles wieder gut wird. Aber wir wollen bei ihnen sein.“

Peter erzählt, wie sie monatelang ein Kind besuchten und alle wussten, dass der Abschied bevorstand. „Häufig fällt den Kindern das Loslassen leichter als den Erwachsenen. Wir hatten lange einen Jungen begleitet. Er war zehn Jahre alt. Bei unseren letzten Begegnungen wollte er alle Szenen nachspielen, die wir gemeinsam erlebt hatten, sogar seine Beerdigung führten wir gemeinsam auf. Spielerisch schloss er mit seinem Leben ab.“

Clownstränen

Wenn man einen Menschen über einen langen Zeitraum begleitet, bewegt es auch den privaten Peter Spiel. „Manchmal fließen auch bei mir Tränen und dann spreche ich mit meiner Frau darüber. Ich muss immer wieder lernen, mich abzugrenzen. Roger Paletti ist eine Rolle und sie hilft mir, innerlich auf Distanz zu gehen. Dann konzentriere ich mich auf den nächsten Menschen und den nächsten Moment.“

„Auch mein Glaube hilft mir, aufzutanken“ erklärt Peter. „Im Gebet kann ich alles, was mich belastet, abgeben. Und wenn ich Menschen beobachte, finde ich neue Inspirationen.“ Zu gern sitzt er in einem Café und sieht Menschen zu, wie sie sich bewegen, gestikulieren oder laufen. Wenn man Peter zuhört, spürt man, dass der Clown ein Menschenfreund ist. Er staunt, bewundert, ermutigt und hält so vieles für möglich. „Wer gehen kann, kann auch tanzen. Wer reden kann, kann auch singen.“ Wie meint er das? „Erziehung hat uns verzogen. Ständig zog man an uns – das macht man nicht, das tut man nicht, das sagt man nicht. Wir trauen uns vieles nicht zu, weil wir uns sorgen, was andere über uns denken. Als Clown habe ich gelernt, mich von der Zerrerei zu befreien. Ich habe den Rückzug in das Leben angetreten, auch wenn ich manchmal durchs Leben stolpere.“

Susanne Ospelkaus lebt mit ihrer Familie in Zorneding bei München, bloggt unter susanne-ospelkaus.com und arbeitet als Autorin und Therapeutin.

Ständig räuspert sich die Tochter (4) – Ist es eine Tic-Störung?

Dauerhaftes Räuspern schadet der Gesundheit. Logopädin Ina Finis hat für Eltern mehrere Lösungen parat.

„Meine Tochter (4) räuspert sich seit kurzer Zeit ständig. Am Anfang dachte ich, sie hätte nur einen Frosch im Hals. Nun tritt es aber dauernd auf – vor allem dann, wenn ich ihr vorlese oder sie ruhig vor sich hin spielt. Ist das ein Tic? Und wenn ja, wie kriegen wir ihn wieder weg?“

Wer kennt es nicht: Da ist ein Kratzen im Hals und wir räuspern uns. Damit befreien wir den Rachen von Schleim oder die Stimme von Heiserkeit. In normalem Maß keine große Sache – bei häufigem Auftreten kann es jedoch für die betroffene Person und mehr noch für andere Menschen störend sein.

Was passiert beim Räuspern? Im Kehlkopf liegen sich die beiden Stimmlippen gegenüber. Um Stimmklang zu erzeugen, müssen sie sich im Luftstrom aus der Lunge schwingend schließen. Liegt nun Schleim aus der Nase oder den Atemwegen auf den Stimmlippen, klingt die Stimme heiser. Wir räuspern uns, um den Schleim zu entfernen. Geräuspert wird auch, wenn ein Reizgefühl vorhanden ist (ein Krümel oder beim Verschlucken). Beim Räuspern wird massiver Druck auf die Stimmlippen ausgeübt, dadurch wird als Schutzreaktion eine Schleimbildung ausgelöst. So kann ein Kreislauf von Räuspern – Schleimbildung – Räuspern entstehen. Das ist möglicherweise stimmschädigend.

Lutschbonbons können helfen

Falls Sie ein extrem häufiges Räuspern bei Ihrem Kind beobachten, gibt es ein paar einfache Hilfsmittel: raumtemperiertes Wasser ohne Kohlensäure trinken oder Salbeibonbons lutschen. Vermeiden Sie Lutschbonbons mit Menthol, Kamille oder Eukalyptus, da diese eher austrocknend wirken. Sollte dies nicht helfen, kann der HNO-Arzt oder Phoniater (Stimmarzt) feststellen, ob ein Anlass – zum Beispiel Stimmlippenknötchen oder eine ausgeprägte Mund- statt Nasenatmung – vorhanden ist und entsprechende Maßnahmen einleiten. Logopäden und Atem-, Sprech- und Stimmlehrer bieten therapeutische Unterstützung, um häufiges Räuspern wieder abzubauen und die geschädigte Stimme zu behandeln.

Denn auch bei Kleinkindern kann es bereits zu einer Stimmstörung kommen. Die Ursache ist häufig, dass beim Sprechen zu viel Druck aufgebaut wird. So kann es zu einer Überlastung der Stimmlippen kommen. Dann haben die Kinder gerade nach längerem Sprechen oder Singen einen höheren Räusperdrang.

Tics erst mal ignorieren

In Ihrer Frage fiel auch das Schlagwort Tic. Plötzlich kann das Kind nicht mehr aufhören, sich zu räuspern (oder zu blinzeln, Grimassen zu schneiden, zu hüsteln). Oft sind diese Tics dem Kind nicht bewusst. Bei hohem Alltagsstress stellt sich das Räuspern gerade in entspanntem Spiel oder beim Vorlesen ein. Bei anderen Betroffenen sind die Auslöser Reizüberflutung und Anspannung. Es ist ratsam, solche Tics durch Ablenkung und Ruhe zu durchbrechen.

Bei Kleinkindern sind Tics häufig vorübergehend. Es wird empfohlen, sechs bis zwölf Wochen abzuwarten und zu versuchen, das Räuspern zu ignorieren und auszuhalten. Wenn der Tic länger andauert oder ein Leidensdruck beim Kind entsteht, da es von anderen Kindern gehänselt wird, ist es empfehlenswert, zum Kinderarzt zu gehen. Dieser kann zum Neurologen überweisen, der weitere Schritte wie eine Spieltherapie, eine kinderpsychologische Beratung oder neurologische Untersuchungen empfehlen kann.

Ina Finis ist Logopädin, Mutter zweier Töchter im Teenageralter und zurzeit in einer Weiterbildung zur Individualpsychologischen Beraterin. 

Plötzlich dröhnt der Bombendonner: So erlebte Roman die Flucht mit 157 Waisenkindern

Über Nacht flieht der Arzt Roman Kornijko von Kiew nach Freiburg. Um Waisenkinder zu retten, lässt er sogar seine Familie zurück.

„Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht“, formuliert Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am 24. Februar in einer Ansprache. In eine andere Welt katapultiert hat diese Nacht auch Roman Kornijko. Aber geschlafen hat der 55-jährige Arzt nicht. Er hat sie im Luftschutzkeller verbracht. Zusammen mit den Waisenkindern des Waisenhauses Otchy Dim (auf Deutsch „Vaterhaus“) in Kiew. In dieser Nacht ist passiert, worauf er und sein Team sich die letzten Tage vorbereitet und womit sie im Letzten aber doch nicht wirklich gerechnet hatten: Bomben schlagen in unmittelbarer Nähe ein. Die vermeintliche Sicherheit durch die nahegelegene militärische Flugabwehr macht sie zum Fokus der russischen Bomben in der ersten Kriegsnacht.

Eine mögliche Evakuierung war schon zuvor im Blick. Mit dem Kooperationspartner „S’Einlädele“, einer gemeinnützigen GmbH in Freiburg, die sie schon seit vielen Jahren über Patenschaften und anderen Aktionen unterstützt, und der Stadt Freiburg selbst sind Vorgespräche gelaufen und Einladungspapiere für die Ausreise fertiggemacht worden. Mit ukrainischen Busunternehmen haben sie sich abgestimmt. Doch als es ernst wird, ist keiner der zugesagten Busse verfügbar. Die Koffer sind gepackt. Panzer rollen über die Straßen. Die Angst setzt Kindern und Betreuern zu. Aus den Medien erfahren sie, dass die geplante Fluchtroute das Ziel der nächsten Bombardierung sein könnte. „Ich habe zu den Kindern gesagt, dass uns jetzt nur Gott helfen kann und wir haben alle zusammen gebetet“, erzählt der Leiter im Interview: „Und dann war es, als würden Engel uns auf dem Weg begleiten.“

Schweren Herzens lässt Roman seine Familie zurück

Ein ihm unbekannter Busunternehmer hat von der aussichtslosen Evakuierungssituation gehört. Der ist nicht nur bereit, die Fahrt bis zur polnischen Grenze umsonst zu übernehmen, sondern hat auch noch einen Freund bei der Polizei, der bereit ist, die Eskortierung der Busse zu organisieren. Aber bevor es losgeht, steht Roman noch der schwerste Moment dieser Tage bevor: Er muss sich von seiner Familie verabschieden. Der Platz in den Bussen ist begrenzt. Priorität hat die Rettung der 157 Kinder und ihrer wichtigsten Bezugspersonen. Und so lässt er schweren Herzens seine Frau und seine vier Töchter zwischen 16 und 36 Jahren zurück. Diese Entscheidung tragen sie alle mit und sie fällt allen schwer. Keiner weiß, ob und wann sie sich wiedersehen.

Als sie endlich loskommen, sind die Straßen verstopft. Viele Menschen sind auf der Flucht gen Westen. Doch die Polizisten haben eine unkonventionelle Lösung für dieses Problem: Sie leiten die Busse auf die – leere – Gegenfahrbahn. So können sie zügig am Stau vorbeifahren. Als sie sich rund 300 Kilometer hinter Kiew in relativer Sicherheit wiegen und am Rastplatz eine Pause einlegen, gehen in unmittelbarer Nähe Bomben nieder. Instinktiv werfen sich die Kinder auf den Boden. Dann haben sie es eilig, wieder in den Bus zu kommen. „In dieser Nacht sind die Kinder alle zehn Jahre älter geworden. Aber ich habe ihnen versprochen, dass sie ihre Kindheit wieder zurückbekommen werden“, erzählt der Arzt.

Ein Segen zum Abschied

Vor und hinter dem Bus fahren die Polizeiwagen jetzt mit Notbeleuchtung. Der Bus selbst fährt ohne Licht, um kein Ziel für eine Bombardierung abzugeben. Auch die Strecke, die bereits hinter ihnen liegt, ist in dieser Nacht das Ziel von Bomben. Drei Stunden später wären sie nicht mehr durchgekommen. Aber so gelangen sie unbeschadet zur polnischen Grenze. „‚Fahrt los, unsere Freunde, und seid gesegnet‘“, haben uns die Polizisten an der Grenze verabschiedet. Das war wirklich ganz besonders. Sie waren für uns wie Engel“, erzählt Roman berührt.

Und es sind nicht die letzten Engel, die ihren Weg begleiten. So übernehmen in Dresden ausgeruhte Busfahrer das Steuer und auch eine unterwegs notwendige Reparatur an einem der Busse ist möglich. Als sie am Sonntagvormittag in Freiburg ankommen, ist es ein bewegendes Fest für Ankommende und Erwartende. In einer beispiellosen Aktion haben in Freiburg Stadtverwaltung, S’Einlädele-Team, evangelische Stadtmission, Malteser Hilfsdienst, Deutsches Rotes Kreuz, die deutsch-ukrainische Gesellschaft und andere zusammengearbeitet, um die Evakuierung zu ermöglichen und die Unterkunft vorzubereiten.

Zwischen Trauma und Fußballmatch

Drei Wochen sind seitdem vergangen. In der Zwischenzeit haben sich manche der Kinder schon gut eingelebt. Romans Augen leuchten, als er vom spontanen deutsch-ukrainischen Fußballmatch erzählt. Da hätten sich einige ihre Kindheit schon wieder zurückerobert. Andere tragen noch schwer an den traumatischen Erlebnissen und haben begonnen zu stottern oder nässen wieder ein. Umso wichtiger ist es Roman, eine verlässliche Tagesstruktur, entspannende Spielangebote und die vertrauten Bezugspersonen für seine Schützlinge zu haben.

Ohne ein großes Netzwerk ehrenamtlicher Helfer, die hier unterstützen, wäre das ebenso wenig möglich wie die Organisation mehrerer Hilfstransporte. So wurden in den letzten drei Wochen in Freiburg viele Pakete gepackt und in die Ukraine gebracht. Auf dem Rückweg war dann Platz, um weitere Menschen aus den Kriegsgebieten zu evakuieren. Im Bus am letzten Sonntag war dann endlich auch Romans Familie dabei und sie konnten sich glücklich und gesund wieder in die Arme schließen. „Sie haben im Vaterhaus noch so lange es ging Menschen aufgenommen und versorgt, die auf der Flucht waren. Darauf bin ich wirklich stolz.“

„Hätten nie gedacht, dass wir selbst einmal flüchten müssen“

Die Welt ist eine andere geworden seit dem 24. Februar. Schreckensbilder und -nachrichten dieses Krieges dominieren die Schlagzeilen und Wahrnehmung. „Wir haben damals 159 Kinder und 90 Erwachsene aus Donezk aufgenommen“, erzählt Roman. „Wir hätten doch niemals gedacht, dass wir selbst einmal flüchten müssten.“

Gleichzeitig gibt es viel Gutes: eine beispiellose Solidarität, Spendenbereitschaft, unbürokratische Hilfen, das Zusammenwirken unterschiedlicher Organisationen. So dauert es grade mal sechs Stunden von Anfrage bis Zusage der Stadt Freiburg, die Unterbringung der Geflüchteten zu übernehmen. Die deutsch-ukrainische Gesellschaft stellt ihre Kompetenz als Dolmetscher zur Verfügung. Und das Schweizer Team von Amnesty International profitierte von den Erfahrungen der Vaterhaus-Evakuierung, als es darum ging, Kindern eines ukrainischen Pestalozzi-Waisenhauses den Fluchtweg zu ermöglichen.

Elisabeth Vollmer ist Religionspädagogin und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Sie lebt mit ihrem Mann in Freiburg.

Tochter (8) ist von Zeugnis enttäuscht: So schlägt der Lernfrust nicht aufs Selbstbewusstsein

Schule ist nicht alles! Erziehungswissenschaftlerin Daniela Albert rät Eltern, den Fokus nicht auf Noten zu setzen.

„Meine Tochter (8) ist frustriert, weil ihr das Lernen schwerfällt. Wie kann ich ihr trotzdem vermitteln, dass sie wertvoll und wunderbar gemacht ist?“

Es ist wunderbar, dass Sie im Blick haben, dass Ihre Tochter aufgrund von Lernschwierigkeiten auch sich selbst als Person infrage stellen kann. Und dass die Gefahr besteht, dass die eigene Wertigkeit an Lernerfolge geknüpft wird. Denn leider geht das oft in unserem auf Leistung ausgelegten Schulsystem unter. Zu Hause einen Gegenpol zum Leistungsdruck zu bieten, ist eine gute und wichtige Sache. Ich behaupte einmal ganz vermessen: Allein Ihr Gespür dafür wird dafür sorgen, dass in Ihrer Familie eine Atmosphäre der Wertschätzung über Leistungen hinaus herrscht.

Dennoch möchte ich infrage stellen, ob Ihrer Tochter wirklich „das Lernen“ schwerfällt. Tatsächlich ist es ja so, dass Ihr Kind in den ersten Jahren seines Lebens mit Sicherheit schon sehr viel gelernt hat und auch jetzt täglich Neues dazulernt, neue Fähigkeiten entwickelt und Vorhandenes ausbaut. Vieles geht unbemerkt vonstatten oder wird nicht gesehen, weil es sich dabei vielleicht nicht um die Fähigkeiten und Fertigkeiten handelt, die gerade gesellschaftlich als wichtig erachtet werden.

Nicht über Schulnoten sprechen, sondern über Themen

Ich gehe aber davon aus, dass es sich bei Ihrer Frage um das schulische Lernen und den damit verbundenen Schulerfolg – also um Noten – handelt. Tatsächlich ist es so, dass nicht jedes Kind für dieses System, so wie es in den deutschsprachigen Ländern meistens umgesetzt wird, gemacht ist. Das schulische Lernen fällt manchen Kindern besonders schwer, und sichtbare Erfolge wollen sich nicht einstellen. Da finde ich es wichtig, dass Sie als Eltern das stark machen, was sonst schnell unsichtbar bleibt.

Wenn am Ende eines Schulhalbjahres ein Zeugnis kommt, würde ich weniger über die Noten sprechen als über die Themen, die bearbeitet wurden. Denn bestimmt hat Ihre Tochter in den vorangegangenen Monaten etwas gelernt. Vielleicht die ersten Worte in einer neuen Sprache? Vielleicht eine neue Rechenart? Oder sie weiß nun mehr über Geografie oder Religion? Selbst wenn sich der Lernerfolg nicht in Ziffern auf einem Blatt Papier bemessen lässt, heißt das nicht, dass Ihr Kind nicht dazugelernt hat. Machen Sie dieses Dazulernen sichtbar für Ihr Kind und feiern Sie es immer dann, wenn ein Schulhalbjahr endet.

Hobbys im Blick behalten

Darüber hinaus ist es wichtig, auf die Dinge zu schauen, die Ihre Tochter besonders gut kann. Vielleicht zählen dazu nicht die in der Schule gefragten Fähigkeiten, aber andere. Malen? Basteln? Geschichten erzählen? Musik oder Sport? Gerade an Tagen, an denen in der Schule etwas nicht gut gelaufen ist, ist es wichtig, das stark zu machen, was Ihr Kind kann. Sorgen Sie an solchen Tagen dafür, dass Ihr Kind seine Stärken ausleben darf: Nehmen Sie sich gemeinsam Zeit für sein liebstes Hobby oder eine andere Aktivität, in der es gut sein darf. So lernen Kinder früh, dass die Schulnoten nicht das sind, was sie als Menschen ausmacht.

Daniela Albert ist Erziehungswissenschaftlerin und Eltern– und Familienberaterin (familienberatung-albert.de). Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Kaufungen bei Kassel und bloggt unter eltern-familie.de. 

Reisen in der Elternzeit: Mit diesen 7 Tipps gelingt der Trip mit Wohnmobil und Baby

Annabel Breitkreuz ist zwei Monate mit Kleinkind und Van durch Skandinavien gefahren. Diese sieben Tipps hat sie mitgebracht.

1. Zeitraum festlegen

Sucht euch für die Reise eine Zeit aus, bei der ihr am Zielort mit gutem Wetter rechnen könnt – das senkt das Stresspotenzial. Behaltet bei der Planung auch mögliche Impftermine und U-Untersuchungen des Babys im Blick. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass unser Sohn Pepe der entspannteste Reisebegleiter während unserer Elternzeit-Reise war, als er noch gestillt wurde und nicht krabbeln konnte.

2. Zielregion raussuchen

Bei der Wahl solltet ihr – so unromantisch es klingt – euer Budget nicht aus dem Auge verlieren. Denkt dabei an Mautgebühren, Parkkosten und Lebensmittelpreise (all das ist zum Beispiel in Norwegen sehr hoch). Wenn ihr Campingplatzkosten sparen wollt und gern frei steht, bietet sich ein Land an, in dem das Jedermannsrecht gilt.

3. Camper kaufen oder mieten

Wer kein eigenes Wohnmobil vor der Haustür stehen hat oder ausbauen möchte, kann es sich leihen. Auf Plattformen wie paulcamper.de oder roadsurfer.com gibt es eine breite Auswahl. Wir haben unterwegs einige Familien getroffen, für die es sich auch gelohnt hat, ein Wohnmobil gebraucht zu kaufen und im Anschluss weiterzuverkaufen.

4. Route planen

Wie viel Fahrtzeit man mit Baby erreichen kann, lässt sich nicht pauschal beantworten und auch nicht festlegen! Was ihr braucht, sind keine engen Zeitpläne, sondern Flexibilität und Gelassenheit in der Route und im besten Fall immer einen Plan B.

5. Erste Erfahrungen sammeln

Probieren geht über Studieren, das gilt auch beim Vanlife als Familie. Vor der großen Tour solltet ihr Probeausflüge einplanen. Nur so lässt sich feststellen, was zu Hause bleiben kann und was ihr noch braucht (Kleinigkeiten wie Handtuchhaken steigern deutlich die Lebensqualität im Van).

6. Packen

Informiert euch, wie teuer Windeln, Breigläschen und Co. im Ausland sind. Oftmals lohnt es sich, einen großen Vorrat aus heimischen Drogeriemärkten mitzunehmen. Orientiert euch beim Packen der Kleidung an einem typischen 14-tägigen Urlaub. Denn genau diese Menge wird euch auch für zwei Monate reichen. Waschen könnt ihr zwischendurch mit der Hand, in Waschsalons oder auf Campingplätzen.

7. Stellplätze finden

Schlafplätze lassen sich zum Beispiel mithilfe der App Park4Night raussuchen. Dort könnt ihr auch nachschauen, wo eine Entleerung möglich ist oder ihr Frischwasser nachfüllen könnt.

Annabel Breitkreuz ist Mama von Pepe und Redakteurin. Auf ihrem Blog brezelzeit.com schreibt sie über ihren Start ins Familienleben zwischen Mikroabenteuern und gewöhnlichem Alltag.